Analyst rechnet mit 10'000 Fällen von Coronavirus in der Schweiz
Der Analyst Pierre Dessemontet schätzt die Zahl der Coronavirus-Betroffenen deutlich höher ein als der Bund. Er geht von 10'000 Fällen aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Analyst Pierre Dessemontet schätzt die Zahl der Coronavirus-Betroffenen auf 10'000 ein.
- Damit liegt er deutlich höher als die Einschätzung des Bundes.
- Infektiologe Andreas Widmer warnt zudem vor einer Überlastung des Gesundheitssystems.
Der auf geographische Daten spezialisierte Analyst Pierre Dessemontet schätzt die Zahl der Coronavirus-Betroffenen deutlich höher als die vom Bund publizierten. In Wirklichkeit dürften es derzeit rund 10'000 Fälle sein. Dies sagte er in einem Interview der Tageszeitungen «La Liberté», «Le Courrier» und dem Onlineportal Arcinfo.
Dessemontet geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele erkrankte Menschen würden sich gar nicht erst melden. Sie seien sich überhaupt nicht bewusst, dass sie angesteckt wurden und auch andere Menschen ansteckten.
Dessemontet stützt sich auf eine am vergangenen Dienstag auf der Onlineseite Medium.com veröffentlichte Studie mit dem Titel «Coronavirus: Why you must act now» (Coronavirus: Warum man jetzt handeln muss).
Resultat von Statistikarbeit
Die viel höher geschätzte Zahl der Erkrankungen sei das Resultat einer seriösen Statistikarbeit. Sie basiere auf der Zahl der Todesopfer unter Berücksichtigung der Bedingungen und der Qualität des Gesundheitssystems in jedem Land. Diese Zahl könne im Verhältnis eins zu drei oder eins zu vier höher liegen.
Die Zunahme der Krankheitsfälle sei auch von der Robustheit des Gesundheitssystems abhängig. «Das Unsere ist gut organisiert und dürfte nicht überschwemmt werden», sagt Dessemontet, der Direktor von Microgis in Yverdon ist. Ausserdem unterrichtet er an der ETH Lausanne.
Warnung vor Überbelastung des Gesundheitswesens
Der Infektiologe Andreas Widmer vom Universitätsspital Basel warnt demgegenüber von einem «drohenden Tsunami im Gesundheitswesen». Bei einer so grossen Anzahl von Infektionen, wie sie momentan Italien erlebe, sei jedes Gesundheitssystem überfordert. Dies sagte er in einem Interview der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ).
«Wenn sich die Menschen wirklich an die jetzt ausgegebenen Verhaltensmassregeln halten, dann liegen hoffentlich maximal fünf bis zehn Coronavirus-Patienten auf der Intensivstation pro Klinik. Das können Ärzte und Pflegepersonal mit Ach und Krach noch bewältigen», sage Widmer weiter.
Die grösste Gefahr sieht der Infektiologe darin, dass das Personal selber erkrankt. «Wir müssen die Ärzte noch mehr schützen», sagte er weiter. Wenn sich ein praktizierender Arzt anstecke und für 14 Tage in Quarantäne geschickt werde, sei die Praxis geschlossen.
Die Patienten kämen dann in die Notaufnahme des Spitals. Wenn zu viele Patienten zur gleichen Zeit infiziert würden, dann komme es zum Stau im Gesundheitssystem.
Zehn Prozent brauchen einen Arzt
Laut Widmer gibt es ein Modell der amerikanischen Spitalorganisation, die damit rechnet, dass 30 Prozent der Bevölkerung angesteckt werden. Die meisten dieser Fälle verliefen mild, aber zehn Prozent bräuchten ärztliche Betreuung in irgendeiner Form.
«Es wären also rund 300'000 Personen betroffen. Selbst wenn es bloss 100'000 wären, ist das immer noch eine gewaltige Zahl.» Wenn nicht drastische Massnahmen ergriffen würden, so könne das Schweizer Gesundheitswesen eine solch massive Zahl von Fällen nicht bewältigen.