Ausmass «endemisch»: Kellnerinnen werden begrabscht und gemobbt
Die Unia schlägt Alarm: Sexuelle Belästigung und Mobbing scheinen im Gastgewerbe immer mehr Usus zu sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Sexuelle Belästigung und Mobbing im Gastgewerbe nehmen zu.
- Bei einer Umfrage gab fast ein Drittel an, schon mal sexuell belästigt worden zu sein.
Mobbing und sexuelle Belästigung werden im Gastgewerbe zu einem immer grösseren Problem. Darauf deutet ein Bericht der Gewerkschaft Unia hin, wie «Le Courrier» schreibt. Geschildert werden die Fälle mehrerer Frauen, die nur als die Spitze des Eisbergs betrachtet werden dürften.
Zum Beispiel der Fall von Chloé*, die über Monate hinweg anzügliche Sprüche, sexuelle Belästigung und unsittliche Berührungen über sich ergehen lassen musste. «Der Teamleiter machte mir Angst», erinnert sie sich. Gearbeitet hatte sie in einem Waadtländer Lokal, ein entsprechendes Verfahren gegen den damaligen Chef ist hängig.
Oder Julia*, die ohne Papiere nach Genf gekommen war und eineinhalb Jahre lang zu unmenschlichen Konditionen schwarz arbeitete: Sieben Tage die Woche, für zehn Franken die Stunde. Regelmässig sei sie von ihrem Chef angemacht worden – obschon sie diesen stets zurückwies.
Die Folge: Massive Beschimpfungen, Drohungen und sogar physische Gewalt. «Er wusste, dass ich diese Arbeit brauchte und hat die Situation ausgenutzt», so Julia. Auch sie hat Strafanzeige eingereicht.
Sexuelle Belästigung im Gastgewerbe – Alltag und Tabu-Thema zugleich
Mary arbeitete in einer Fastfood-Kette und wurde von ihrem Vorgesetzten angefasst. Dieser wurde schliesslich mit zwei anderen Männern wegen Belästigung entlassen. Des Weiteren wurde sie von Kollegen gemobbt, ehe ihr gekündigt wurde.
Artur Bienko, Gewerkschaftssekretär der Unia und ehemaliger Koch, bestätigt: Belästigung und Mobbing seien im Gastgewerbe «endemisch». Die Rede ist von einem «Tabu, das jeder sieht, während niemand darüber spricht».
Dies zeigt auch eine Unia-Umfrage zu den Arbeitsbedingungen: Rund 250'000 Personen in der Schweiz arbeiten im Gastgewerbe. Doch gerade mal 260 nahmen an der Umfrage teil. Das sind nur wenig mehr als 0,001 Prozent.
Für die Unia sei es «sehr schwierig, Zugang zu den Beschäftigten zu bekommen». Doch auch anhand der Aussagen der wenigen Teilnehmer zeichnet sich ein schreckliches Bild ab: 42 Prozent gaben an, schon einmal bei der Arbeit gemobbt worden zu sein. 27 Prozent wurden sexuell belästigt, während in 37 Prozent der Fälle der Chef der Täter war. Rund 25 Prozent wurden von einem Kollegen belästigt.