Ayla war schwanger und rauchte – sie verteidigt sich
7 Prozent der Schwangeren in der Schweiz rauchen. Viele verurteilen sie scharf, weiss eine Betroffene – und betont: Das bringt nichts.
Das Wichtigste in Kürze
- Schwangere Raucherinnen werden von der Gesellschaft oftmals hart verurteilt.
- Eine Betroffene erklärt, warum das Aufhören nicht so leicht ist, wie viele denken.
- Ärzte raten manchen Schwangeren, nicht ganz aufzuhören. Die Lungenliga übt Kritik.
Dass Rauchen während der Schwangerschaft das ungeborene Kind und die Mutter gefährdet, ist bekannt. Um nur einige Gefahren zu nennen: Das Risiko einer Fehlgeburt ist dreimal grösser, Frühgeburten kommen bei Raucherinnen häufiger vor.
Die Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Asthma und Atemwegserkrankungen. Zudem leiden sie häufiger an Aufmerksamkeitsdefiziten und Lernschwierigkeiten.
Der Druck für Raucherinnen ist also gross, während der Schwangerschaft auf Zigaretten zu verzichten. Trotzdem tun es nicht alle. In der Schweiz rauchen laut BAG sieben Prozent der Schwangeren trotz Baby weiter.
«Habe während Schwangerschaft drei Zigaretten am Tag geraucht»
Bei den vielen Risiken mag es nicht erstaunen, dass viele von ihnen schärfsten gesellschaftlichen Verurteilungen ausgesetzt sind. Das weiss auch die Waadtländerin Ayla Dubois* (38), die es selbst nicht schaffte, während der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufzuhören.
Auf der Social-Media-Plattform Reddit ist die Mutter auf einen Post gestossen, der sie verärgert: Zahlreiche Schweizer Expats regen sich darin fürchterlich über rauchende Eltern und Schwangere auf.
Eine Nutzerin bezeichnet rauchende Eltern gar als «Monster». «Die Leute sollten sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern», findet Dubois. «Ich habe während meiner Schwangerschaft drei Zigaretten am Tag geraucht. Mein Arzt sagte mir, ich solle nicht aufhören, falls mich das mehr stresst.»
Stattdessen rät er ihr, die Anzahl Zigaretten einzudämmen. Vor der Schwangerschaft raucht Dubois mehr als ein Päckli pro Tag. «Es war nicht leicht, mich auf drei Zigaretten zu beschränken.»
Schwangere rauchte aus Verurteilungs-Angst nur zu Hause
Sie stört sich an der harten Verurteilung, die viele für rauchende Schwangere übrig haben. «Denkt ihr, es ist so leicht, einfach aufzuhören? Ich finde, diese Verurteilungen schaden mehr als ein paar Zigaretten.»
Sie habe schon Jahre vor ihrer Schwangerschaft versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. «Ich habe Hypnose ausprobiert, einen Rauchentwöhnungs-Wirkstoff und schliesslich von heute auf morgen gestoppt. Nichts hat geklappt», sagt sie zu Nau.ch.
Zu sagen, man soll vor der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufhören, sei definitiv einfacher gesagt als getan. «Am Schluss dachte ich mir, ich werde zu Beginn der Schwangerschaft ohnehin an Übelkeit leiden.» Dubois hofft, dass ihr so automatisch die Lust auf Zigaretten vergeht.
Doch auch so kommt es nicht.
Sie habe sich verpflichtet gefühlt, nur zu Hause zu rauchen, sobald man ihren Babybauch erkennen konnte, erzählt sie. «Dieses Gefühl, nur zu Hause rauchen zu dürfen, um nicht verurteilt zu werden, war kein gutes. Auf eine Art fühlte es sich an, als hätte ich meine Freiheit verloren.»
Sie wünscht sich, dass mehr Menschen wüssten, dass Ärztinnen und Ärzte in manchen Fällen nicht zum kompletten Rauch-Stopp raten.
Aktivistin kritisiert Frauenärzte
Claudia Künzli von der Lungenliga sieht das ganz anders. Sie sagt gegenüber Nau.ch, dass es sich dabei um ein «Ammenmärchen» handle.
«Leider hält es sich in der Ärzteschaft hartnäckig. Für die Gesundheit von Schwangeren und ungeborenen Kindern gibt es nichts Besseres, als mit dem Rauchen aufzuhören!»
Dem widerspricht Gynäkologe Leonhard Schäffer, Chefarzt am Kantonsspital Baden AG, gegenüber Nau.ch: «Ich glaube nicht, dass unter den Gynäkologinnen und Gynäkologen der Mythos besteht, dass ein kompletter Rauchstopp zu viel Stress bei der Schwangeren auslöst. Zumindest ist mir dieser Mythos nicht bekannt.»
Gynäkologe: Manchmal macht Reduktions-Empfehlung Sinn
Man muss differenzieren, betont der Experte. «Das Ziel ist, dass werdende Mütter während der Schwangerschaft vollständig aufs Rauchen verzichten.»
Die Mehrheit der Betroffenen schaffe das. Es gebe aber einfach Fälle, in denen ein kompletter Rauchstopp für die Schwangere nicht möglich ist oder der Wille zum Aufhören fehle. «Dann macht es durchaus Sinn, auf eine Reduktion des Konsums hinzuarbeiten.»
Wichtig sei aber auch, dass diese Frauen wertefrei beraten und nicht verurteilt werden. «Schuldgefühle, die häufig sowieso vorhanden sind, sollten nicht verstärkt werden.»
Übrigens: Inzwischen ist Dubois Mami und hat es geschafft, den herkömmlichen Zigaretten den Rücken zu kehren. Sie konsumiert seit über einem Jahr nur noch rauchfreie E-Zigaretten.
* Name von der Redaktion geändert.