Bald kommen dynamische Konzert-Preise in der Schweiz
Dynamische bzw. nachfrageorientierte Ticketpreise bei der Oasis-Reunion-Tour sorgen in Grossbritannien für grossen Ärger. Das Modell könnte sich durchsetzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Preissystem der Oasis-Reunion-Tour bewegt die britische Politlandschaft.
- Es ist ein Trend, mit dem in Zukunft auch bei uns zu rechnen ist.
- Kritiker warnen, dass Konzerte so nur noch etwas für Reiche sein könnten.
Verdoppelte Ticketpreise – allein wegen der hohen Nachfrage. Dynamische Tarife für die Reunion-Tour der Kultband Oasis verärgern gerade Fans rund um den Globus.
In Grossbritannien geht der Ärger so weit, dass eine Regierungsuntersuchung folgen soll und sich sogar Premierminister Keir Starmer äusserte.
In der Schweiz sorgen dynamische Preise seit Längerem zum Beispiel in den Skigebieten für Ärger. Doch gibt es das bei uns auch bei Konzerten?
Schweizer Shawn-Mendes-Fans hässig über dynamische Preise
Tatsächlich ja. Man kenne das Modell, bestätigt Babette Sigg, Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums, bei Nau.ch.
«Es gab in der Vergangenheit ein paar wenige Beispiele, in denen dynamische Preise angewendet wurden.»
Ein Konzert, das für Schlagzeilen sorgte: Der kanadische Sänger Shawn Mendes verärgerte 2019 Schweizer Fans, weil dieselben Tickets teils 120, teils 280 Franken kosteten. Ein Fan sprach gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» von «Abzocke» und «zutiefst verwerflichem» Verhalten.
Eine so grosse Frustwelle wie in Grossbritannien gab es in der Schweiz wegen dynamischer Konzertpreise aber (noch) nicht. «Die Anwendung ist bisher eher selten. Wir haben diesbezüglich auch keine Beschwerden erhalten.»
Doch das könnte sich bald ändern.
Dynamische Konzertpreise dürften sich durchsetzen
«Die Chance ist gross, dass dynamische Preise bei Konzerten vermehrt vorkommen werden», sagt Sigg vom Konsumentenforum. «Sie gehören in verschiedenen Bereichen seit Jahren zum Alltag. Dies wird sich wahrscheinlich auch weiterhin durchsetzen.»
Das vermutet auch das grösste Ticketing-Unternehmen der Schweiz. Bei Ticketcorner heisst es auf Anfrage von Nau.ch, man könne sich vorstellen, «dass sich dynamische Preise neben der Hotel-, Airline- und Wintersport-Branche auch sonst durchsetzen werden».
Allzu kritisch sieht das Konsumentenforum dynamische Preise bei Konzerten aber nicht. Sie seien «nicht per se verboten, weil es sich dabei in erster Linie um eine Frage der Preisbildung» handle. Solange die Kundschaft von Anfang an sehe, was sie effektiv bezahle, sei rechtlich nichts einzuwenden.
«Problematisch wird es, wenn die Händler sich selbst in die Entwicklung der Preise einmischen.» Also wenn sie beispielsweise das Angebot kurzfristig verknappen, um die Preise hochschiessen zu lassen. Dann würde das Konsumentenforum reagieren.
Nur noch «zahlungskräftige» Fans können sich Konzerte leisten
Wenig hält der Non-Profit-Ticketservice Petzi vom Verband der Schweizer Musikclubs von dynamischen Konzertpreisen: «Dynamic Pricing bei Kulturveranstaltungen führt dazu, dass ein möglichst grosser Anteil der Wertschöpfung an Shareholder grosser multinationaler Konzerne geht.» Diese Wertschöpfung fehle dann innerhalb des Ökosystems von Musikanlässen.
Petzi weiter: «Es führt zudem dazu, dass Kulturveranstaltungen nur noch für zahlungskräftige Menschen zur Verfügung stehen.» Die Zugänglichkeit für Veranstaltungen sei dann nicht mehr für möglichst alle gegeben.
Ticketcorner dagegen lobt, dass von den Preisen alle profitieren können – eben auch die Künstler und Veranstalter. Ob er das Modell schon angewendet hat, sagt der Anbieter nicht. Nur: «Technisch ist Ticketcorner in der Lage, das dynamische Preismodell anzuwenden.»
Diverse Konzertveranstalter und -veranstalterinnen gaben zu entsprechenden Fragen von Nau.ch keine Antwort.