Berner Barkeeper verrät: Das tut dein Tinder-Date, während es wartet
Barkeeper Marek (44) kritisiert die heutige Wegwerfgesellschaft bei Tinder-Dates. Eine Expertin gibt ihm recht – zumindest teilweise.
Das Wichtigste in Kürze
- Marek (44) ist Barkeeper einer beliebten Berner Cocktail-Bar.
- In seinem Berufsalltag erlebt er die Dating-Szene hautnah mit.
- Er verrät: «Oft swipen Leute weiter, während sie auf ihr Date warten.»
Vor einer Cocktailbar in der Berner Altstadt sitzen Menschen und unterhalten sich. Ein Strassenmusiker spielt Pop-Musik. Einige werfen ihm einen Batzen zu, andere sind in die Getränkekarte vertieft.
Inmitten dieses Treibens treffen sich zwei zum Tinder-Date. Sie sitzen schweigend da und starren auf ihre Handys. Eine Szene, die Marek (44), Barkeeper der Bar, nur allzu gut kennt.
Als Barkeeper hat er einen besonderen Einblick in das Dating-Verhalten von Menschen. Und verrät, was die Leute machen, während sie auf ihr Tinder-Date warten: «Oft swipen Leute weiter, während sie auf ihr Date warten», sagt er. «Aber nicht alle sind so.»
Marek sieht darin ein Symptom einer grösseren Veränderung. «Die Dating-Kultur ist zu einer Wegwerfgesellschaft verkommen», sagt er.
Leute starren während Date ins Handy
Was er auch oft in seiner Bar beobachtet: «Viele starren sogar während dem Date in ihre Handys und schweigen.» Das führe zu einer bedrückenden Stimmung, die auch er mitbekomme. «Auch die Enttäuschung, die viele nach einem solchen Date mit sich tragen, spüre ich.»
Besonders problematisch findet es der Barkeeper, wenn sich die Gäste ihrem Gegenüber aufgesetzt verhalten.
«Klar, will man bei Dating-Apps immer die Schokolade-Seite zeigen. Aber warum die ganzen Foto-Filter und Lügen? Das führt nur zu gebrochenen Herzen», sagt er mit einem Seufzer.
Marek vermisst die Ehrlichkeit beim Dating und appelliert: «Wenn es nicht passt, sollte man das doch einfach sagen!» Stattdessen werde Interesse vorgespielt und damit den Leuten vor den Kopf gestossen.
«Wenn man schon sieht, dass das Date ins Leere läuft, dann sagt man das doch einfach», findet er.
Bei schlechten Dates macht Barkeeper weniger Umsatz
Ein weiterer Grund, warum Marek sich über die heutige Dating-Kultur ärgert: Sie hat nicht nur Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch auf den Umsatz seiner Bar.
«Bei schlechter Stimmung während dem Date konsumieren die Leute weniger», bemerkt der Berner. Und obwohl er darüber klagt, kann Marek der Dating-Kultur auch etwas Positives abgewinnen: «Irgendwie finde ich es auch lustig und interessant, die Menschen zu beobachten.»
Und was sagt die Expertin zur Dating-Kultur – ist sie tatsächlich zu einer «Wegwerfgesellschaft» verkommen?
«Wir leben im Kapitalismus», sagt die Berner Sexologin Sybille Stahlberg zwar. «Es ist ein Zeitgeist, wo der Konsum, das ‹haben wollen›, gefördert wird.»
Sie relativiert aber: Dass die «echte Romantik» dadurch zerstört wird, glaubt sie nicht. «Was ist denn überhaupt Romantik? Im Grunde sind es doch heute dieselben Sehnsüchte, dieselben Wünsche, wie immer.»
Das reiche von sexueller Befriedigung bis zur Suche nach einer Partnerin oder einem Partner. Die Leute würden Tinder und andere Dating-Apps nicht benutzen, wenn es für sie keinen Sinn machen würde.
Fehlende Bildung darüber, was eine Beziehung ausmacht, könne aber eine Hürde für tiefere Beziehungen sein. «Hier sind Mythen verbreitet und oftmals sind eine toxische Romantik sowie unrealistische Erwartungen die Hindernisse.»
Swiperei kann zu Burnout führen
Und was steckt hinter dem Swipen während dem Warten aufs Date? «Körpertherapeutisch gesehen ist das eine Strategie, um mit der Spannung vor dem Date umzugehen. Weiter auf Tinder swipen, Zalando checken oder Nau.ch lesen.»
Es geht um Ablenkung, Langeweile und Emotionsregulation.
Dass dann während des Dates aufs Handy geschaut wird, «das ist gelernt, eine Gewohnheit».
Trotz allen Verständnisses warnt Stahlberg auch vor den Gefahren des ständigen Swipens. Vor der Jagd nach dem «nächsten besseren Match». Sie sagt: «Ich habe den Eindruck, das macht uns müde und erschöpft. Es kann zu einem Phänomen wie einem Burnout führen.»