Biomilch boomt, doch immer mehr Biomilchbäuerinnen und -bauern betrachten verschärfte Vorschriften mit Sorge. Sie warnen vor einem Hofsterben.
Armin Spichtig
Armin Spichtig aus Donat GR ist Biomilchbauer aus Leidenschaft. Die verschärften Richtlinien von Bio Suisse sind ihm ein Dorn im Auge. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer weniger Milchbäuerinnen und -bauern stellen auf Bio um.
  • Ein Grund dafür: die verschärften Fütterungsrichtlinien.
  • Ein Bündner Biomilchbauer klagt über zu viele Vorschriften und einen sinkenden Ertrag.
  • Bio Suisse will jedoch an den Vorschriften festhalten.
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Der Schweiz geht die Biomilch aus. Die eingelieferte Milchmenge geht jährlich zurück, immer weniger Betriebe wollen auf Biomilchwirtschaft umstellen. Und das, obwohl der Biomilchpreis weiter steigt.

Armin Spichtig, Biomilchbauer aus Donat GR, macht unter anderem die «zu strengen Vorschriften» verantwortlich. Besonders die 2022 verschärften Fütterungsrichtlinien für Wiederkäuer sind ihm ein Dorn im Auge.

Seither ist nämlich nur noch Futter aus der Schweiz erlaubt. Davon darf maximal fünf Prozent Kraftfutter, also besonders nährstoffreiches Futter, sein. Zuvor waren bis zu zehn Prozent Importe zugelassen.

Kühe erhalten zu wenig Eiweiss

«Das führt dazu, dass wir unseren Kühen zu wenige Eiweissquellen verfüttern können», sagt Spichtig. Beim einheimischen Futter sind nämlich der zweite und dritte Schnitt von Heu proteinreich. Diese erfolgen jeweils im Spätsommer.

Das Problem sei aber: «In einem extrem trockenen Sommer haben wir einen Ausfall der Heuernte von bis zu 50 Prozent.» Entsprechend könne den Kühen keine optimale Futtermischung verabreicht werden. Eine ausgewogene Ernährung für die Wiederkäuer werde so verunmöglicht.

Das schlage sich auf die Milchmenge aus. «Je nach Kuh habe ich dann bis zu 20 Prozent weniger Milch, seit die neuen Fütterungsrichtlinien gelten.»

Milch
Bio-Milchkühe sollten nur noch einheimisches Futter bekommen.
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Derzeit ist noch eine Übergangsreglung in Kraft.
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Das Problem: Manche Bauern kämpfen mit zu wenig Eiweiss im Futter, namentlich im Heu.
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Ein Biobauer aus Graubünden warnt: Die Biomilch könnte der Schweiz ausgehen.
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Die Wertschöpfung könnte dadurch sinken.

Bio Suisse bestätigt, dass sich die Richtlinien auf den Ertrag auswirken können. «Das hängt von verschiedenen Faktoren ab», sagt Sprecher David Herrmann zu Nau.ch.

«Bäuerinnen und Bauern haben verschiedene Stellschrauben, an denen sie drehen können. Zum Beispiel die Wahl einer standortgerechteren Rasse.»

Also einfach andere Kühe kaufen? Biobauer Armin Spichtig sagt dazu: «Das ist einfacher gesagt als gemacht.» Und er stellt klar: «Wir Milchbauern melken, weil wir daran Freude haben.» Das sei nicht zuletzt auch von der Rasse abhängig. «Es bringt mir nichts, wenn ich eine andere Rasse im Stall habe, diese mir aber keine Freude macht.»

«Jeder Biomilchbauer soll deshalb für sich die passende Rasse finden», findet er. Vorschriften gebe es schliesslich schon genug.

Bio Suisse will menschliche Ernährung nicht konkurrenzieren

Bio Suisse sieht in den Fütterungsrichtlinien hingegen viele Vorteile. Sprecher David Herrmann sagt: «Grundsätzlich ist ein zu hoher Kraftfutteranteil nicht gut, da die Mägen der Kühe darauf nicht ausgelegt sind.»

Dazu komme: «Einheimisches Futter, also in der Regel Gras und Heu, ist nicht nur standortgerechter. Es konkurrenziert auch nicht die menschliche Ernährung.»

Trinkst du gerne Milch?

Grundsätzlich machten die Bäuerinnen und Bauern unterschiedliche Erfahrungen mit den Vorschriften. Die Mehrheit trage diese aber mit.

Denn: Im April lehnte die Delegiertenversammlung von Bio Suisse einen Antrag ab, der die Richtlinien wieder rückgängig machen wollte. Eine grosse Minderheit von rund einem Drittel musste sich geschlagen geben.

Darunter auch Armin Spichtig, der als Delegierter von Bio Grischun vor Ort war. «Das ist zu akzeptieren», sagt er. Das Thema sei zwar vorerst vom Tisch der Delegiertenversammlung, die Landwirtschaft habe aber weiterhin damit zu kämpfen.

Biobauern denken über Hof-Aus nach

Er glaubt: «Mit dem Status quo wird es je länger, je schwieriger, Bauern von einer Umstellung auf Biolandwirtschaft überzeugen zu können.»

Er warnt: «Gerade in der Grünland- und Berglandwirtschaft spielen viele mit dem Gedanken, die Milchwirtschaft an den Nagel zu hängen.» Vereinzelt gebe es auch einige, die einen Wechsel zurück zur konventionellen Milchwirtschaft anpeilen.

Das könnte böse enden: «Wenn weniger Biomilch produziert wird, zieht dies einen Rattenschwanz mit sich: Lokale Biokäsereien gehen ein, Arbeitsplätze verloren und die Industrie muss die Milch aus dem Ausland importieren. Ausserdem sind ganze Bergtäler von der Abwanderung bedroht, weil die Wertschöpfung aus dem Tal weggegeben wird.»

Die Industrie ist es denn auch, die Spichtig Hoffnung macht. «Ich hoffe, dass diese Druck ausübt, dass die Richtlinien doch noch einmal überdenkt werden.»

Ausnahmeregel in Kraft

Im vergangenen November beschloss die Delegiertenversammlung von Bio Suisse eine befristete Ausnahmeregelung. Den Mischfutterherstellern ist es erlaubt, bis 2026 zehn Prozent ausländische Eisweiss-Komponente beizumischen.

Zwischen 2027 und 2028 darf dieser Anteil noch fünf Prozent betragen. Ab 2029 – sofern es bis dahin keine neuen Entwicklungen gibt – darf dann nur noch Schweizer Futter verfüttert werden.

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