Berns Gewerbe fühlt sich im Stich gelassen - Stapi streckt Hand aus
Viele Stadtberner Gewerbetreibende ärgern sich über die Politik der rot-grünen Regierung. In einer Umfrage erteilen sie den Behörden schlechte Noten. Der Stadtpräsident versichert, er nehme die Resultate ernst.
Er werde auf die Verbände zugehen und das Gespräch suchen, erklärte der grüne Stadtpräsident Alec von Graffenried in einem Communiqué vom Dienstag. Alarmiert hat ihn offenbar vor allem der Befund, dass die Stadt Bern oft nicht als verlässliche Partnern wahrgenommen wird.
«Es ist der klare Anspruch der Stadt, dass Unternehmen ihre Anliegen jederzeit einbringen können und dass versucht wird, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten», betonte von Graffenried. Aus seiner Sicht gibt es schon heute einen regen Austausch mit der Wirtschaft. Nun will er ausloten, «ob weitere Austauschformen nötig sind».
Dass sich die Berner Wirtschaft mit der Politik schwer tut, ist nicht neu. Seit das Rot-Grün-Mitte-Bündnis 1992 an die Macht kam, gibt es regelmässig Klagen über die «wirtschaftsfeindliche Politik» der Regierenden.
Zuletzt verschärfte sich der Ton, als der Gemeinderat im Mai ein Massnahmenpaket für den Klimaschutz präsentierte. Dabei kündete er an, die Hälfte aller öffentlichen Parkplätze zu streichen. Eigentlich schwebt ihm sogar eine autofreie Innenstadt vor. Der Gewerbeverband KMU Stadt Bern sistierte darauf alle laufenden Projekte mit der Stadtregierung.
An der am Dienstag publizierten Umfrage der gewerbenahen Organisationen Bern City und Fokus Bern nahmen über 400 Stadtberner Betriebe teil. Der Stadtpräsident stellt zwar fest, dass eine klare Mehrheit «allgemein zufrieden» ist.
Den zuerst in der «Berner Zeitung» präsentierten Umfrage-Ergebnissen kann er aber auch entnehmen, wo dem Gewerbe der Schuh drückt. Viele nerven sich zum Beispiel darüber, wie mühsam es ist, Bewilligungen einzuholen. Für Unmut sorgen auch die als hoch empfundenen Gebühren und Abgaben, die Regulierungsdichte und eben die Verkehrssituation.
Dass die Stadt das Gewerbe neulich mit einem «Sauberkeitsrappen» an den Kosten von Littering beteiligen wollte, war der Stimmung auch nicht zuträglich - wenngleich dieses Projekt mittlerweile schicklich beerdigt wurde.
Die Unternehmen wurden schliesslich gefragt, wie sie den Umgang mit den Behörden empfinden. Die Stadt Bern erhielt nur 3.5 von 10 Punkten.
Die Unternehmerin Nicole Loeb fasst zusammen: «Das Berner Gewerbe, die Läden und die Gastronomie sind mehr als einfach Wirtschaftstreibende, die Verkehr und Littering verursachen. Wir sind sehr bestrebt und motiviert, einen Beitrag zum Stadtbild zu leisten und Bern zu einer lebendigen Stadt zu machen.»
Loeb wünscht sich im schriftlichen Statement, «dass dies manchmal etwas mehr honoriert würde». Von Graffenried seinerseits machte am Dienstag deutlich, dass er die Wirtschaft als «aktive Partnerin der Politik» sehe. Der Einbezug der Wirtschaft bei der Strategiearbeit sei «selbstverständlich».