Bildungs-Expertin: «Sollten Leute fürs Gymnasium bezahlen»
Die Lehre gilt in der Schweiz als Erfolgsmodell. Dadurch fehlt es aber an hoch qualifizierten Leuten, bemängelt eine Expertin. Sie fordert Anreize fürs Gymi.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz absolvieren deutlich mehr junge Menschen die Lehre als das Gymi.
- Laut einer Bildungsforscherin fehlt es der Schweiz deswegen an hoch qualifizierten Leuten.
- Sie fordert deshalb, dass jene, die ins Gymi gehen, dafür bezahlt werden sollen.
Gymnasium oder Lehre? Diese Frage müssen sich alle jungen Schülerinnen und Schüler gegen Ende ihrer obligatorischen Schulzeit stellen. Die Mehrheit, genau genommen zwei Drittel, entscheidet sich für die Berufslehre, die meisten anderen gehen ins Gymnasium.
Damit hat die Schweiz «im internationalen Vergleich einen der höchsten Berufswahlanteile», bestätigt Bildungsforscherin Gita Steiner-Khamsi. Das duale Berufsbildungssystem sei regelrecht zum Inbegriff von Swissness geworden und werde auch als Erfolgsmodell in die ganze Welt «exportiert».
Als besonders förderlich für das Schweizer Bildungssystem erachtet Steiner-Khamsi dies allerdings nicht. Sie sieht eine «riesige Lücke» bei den hoch qualifizierten Berufen. «Wir bilden einfach nicht genug aus», bemängelt die 66-Jährige.
Als Folge davon würden 60 Prozent der Berufe, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, von Ausländerinnen und Ausländern aus europäischen Staaten besetzt.
Zwei Drittel der Lernenden bilden sich weiter
Steiner-Khamsi forderte darum in den Tamedia-Titeln: «Wir sollten die Leute dafür bezahlen, dass sie ins Gymnasium gehen, einen Universitätsabschluss machen und dann Vollzeit arbeiten.» So mache das Skandinavien.
Stattdessen würden die hiesigen Gymnasial-Quoten künstlich tief gehalten. Folglich würden viele junge Leute über den Umweg eines Berufsabschlusses an der Uni landen. Genau genommen lassen sich heute «65 Prozent der Personen mit einer beruflichen Grundbildung» weiter ausbilden, so die Bildungsforscherin. Das sei kostspielig.
Indem also ein Anreiz fürs Gymnasium gesetzt werde, könnten qualifizierte Berufe gefördert und zugleich Kosteneinsparungen erzielt werden. Diese Mittel könnten dann wiederum für Berufsbranchen mit einem Fachkräftemangel eingesetzt werden.