Biogas-Fan kann bald nirgends mehr tanken – wegen E-Autos!
Trotz des Rufs als saubere Technologie verschwindet Biogas für Autos zunehmend. Das ärgert einen Autofahrer. Er steht kürzlich vor einer abgebauten Tankstelle.
Das Wichtigste in Kürze
- Ab Ende Oktober gibt es in der Stadt Bern keine Gastankstellen mehr.
- Grund für die sinkende Nachfrage: Politik und Industrie setzen auf Elektromobilität.
- Ein Experte erwartet kein Comeback für Gasautos. Die Zukunft liege im Strom.
«Bald kann ich in Bern nirgendwo mehr tanken», ärgert sich der Berner Lucien Berger*. Wegen der zunehmenden Beliebtheit von E-Autos schaut er zunehmend in die Röhre.
Vor sechs Jahren hat sich Berger ein neues Auto zugelegt. «Ich schaute mich nach einer möglichst umweltfreundlichen Alternative um.»
Ein klassischer Benziner kam daher nicht infrage. Ebenso wenig ein E-Auto aufgrund der damals noch geringen Reichweite und der hohen Kosten. «Zudem hatte ich viele Fragezeichen bezüglich der Batterie und der Verfügbarkeit des Stroms.»
So fiel die Wahl auf einen VW Caddy. Occasion, mit Gas-Antrieb.
An der Tankstelle kann Berger durch einen Aufpreis bestimmen, wie hoch der Biogas-Anteil am Mix sein soll. Denn dieses ist – im Gegensatz zu Erdgas – CO2-neutral. Biogas setzt bei der Verbrennung nur das CO2 frei, das die Pflanzen, die für seine Produktion verwendet wurden, bereits aufnahmen.
Bald keine öffentliche Gastankstelle mehr in der Stadt Bern
Doch nun der Frust: Als der Biogas-Fan kürzlich in Bern-Wankdorf tanken will, steht er vor vollendenten Tatsachen. Die Tankstelle wurde entfernt!
Zuvor war bereits eine weitere Tankstelle in der Stadt Bern entfernt worden. Eine dritte wird Ende Oktober abgebaut. Um weiter tanken zu können, muss Berger künftig einen mühsamen Umweg zu einer Autobahnraststätte oder gar in eine andere Stadt nehmen!
Die Betreiberin der Tankstellen, Energie Wasser Bern (EWB), bestätigt gegenüber Nau.ch den Abbau. Wegen immer weniger gasbetriebenen Fahrzeugen und dem Trend zur Elektromobilität sei der Absatz kontinuierlich gesunken.
«Dieser Effekt schlägt sich auch auf die Wirtschaftlichkeit nieder», sagt Sprecherin Jasmin Dummermuth. Sprich: Biogas rentiert nicht mehr. «Aus diesem Grund hat sich EWB entscheiden, die Anzahl an Gastankstellen zu reduzieren.»
Ab Ende Oktober bleibe nur noch die Gastankstelle an der Autobahnraststätte Grauholz Süd übrig, bestätigt Dummermuth.
Experte erwartet kein Gas-Comeback
Ist der Energieträger also bald ausgestorben? Ja, sagt ein Experte. Zumindest bei Personenwagen.
Danilo Engelmann ist Dozent für Antriebssysteme an der Berner Fachhochschule. Im Gespräch mit Nau.ch spricht er von einem «Verdrängungseffekt» durch den Trend der E-Mobilität.
Er nennt drei Faktoren, die dem Ende der Gasautos den Ausschlag geben: Preissteigerungen für Gas, die politische Förderung von E-Mobilität und mangelnde Verfügbarkeit von Gastankstellen und -fahrzeugen. Erstere sind teilweise bedingt durch die Verwerfungen seit dem Ukraine-Krieg.
«Unter den heutigen Bedingungen ist somit kein Comeback zu erwarten», bilanziert Engelmann.
Politik und Autoindustrie setzen voll aufs E-Auto
Auch die Automobilindustrie hat ihren Fokus verlagert. Die Amag bestätigt auf Anfrage, dass sie keine Gasfahrzeuge mehr in die Schweiz importiert.
Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie erklärt: «Die Automobilindustrie wendet sich vom Verbrennungsmotor ab und forciert die Entwicklung von Elektroautos», so Sprecher Thomas Hegglin.
Der Ausstieg aus Verbrennerautos wird zusätzlich von der Politik beschleunigt. Darunter fallen auch Fahrzeuge, die ausschliesslich mit dem eigentlich CO2-neutralen Biogas betrieben werden.
Denn: «Die Abgasrichtlinien orientieren sich ausschliesslich an dem, was beim Auspuff ausgestossen wird», sagt Experte Danilo Engelmann. «Dass beim Verbrennen von Biogas eigentlich nur das CO2 entweicht, das zuvor gebunden worden war, wird nicht berücksichtigt.»
Aktuell sind laut dem Verband rund 13‘000 Fahrzeuge mit Gas-Antrieb auf den Schweizer Strassen unterwegs. Schweizweit gibt es noch rund 140 Gastankstellen.
Biogas-Fan ist «irritiert» über Technologie-Sterben
Der Biogas-Fan Lucien Berger betrachtet die jüngsten Entwicklungen mit Sorgen. «Das Auto mit Gasantrieb wird immer unbrauchbarer.» Er muss jetzt nach Alternativen suchen.
Das langsame Sterben der Antriebsmöglichkeit «irritiere» ihn, sagt er. «Ich kann es nicht nachvollziehen, warum man nicht an der sauberen Technologie festhält, bis sie von der E-Mobilität überholt wird.»
Sein Vorschlag: Biogas vom Gasmarkt lösen und mehr gesonderte Biogas-Tankstellen errichten. «Das wäre eine brauchbare und verfügbare Alternative zur E-Mobilität.»
In der Zwischenzeit hofft Berger darauf, dass die bestehenden Tankstellen weiterhin Gas für seinen Motor liefern werden.
* Name von der Redaktion geändert