Braucht es eine Mami- und Papi-Prüfung?
Tierrechtler fordern eine Prüfung für Haustierhalter. Eine Lehrerin geht noch einen Schritt weiter: Sie fände eine Prüfung für Eltern sinnvoll.
Das Wichtigste in Kürze
- Häusliche Gewalt gegen Kinder nimmt in der Schweiz leicht zu.
- Eine mögliche Massnahme für mehr Kinderwohl: ein Führerschein fürs Elternwerden.
- Eine Lehrerin findet das eine tolle Idee, ein Ethiker hält wenig davon.
Zahlreiche Hunde und Büsis in der Schweiz werden nicht artgerecht behandelt und entwickeln deshalb teilweise gar Verhaltensauffälligkeiten. Tierschützerinnen und -schützer fordern Massnahmen.
Damit sich nicht alle spontan ein Haustier zulegen können, ohne sich ausreichend zu informieren, soll eine Prüfung eingeführt werden. Nur wer die Prüfung besteht, bekommt das Recht, ein Tier anzuschaffen.
Eine gute Sache, findet die deutsche Kinderlos-Autorin und Lehrerin Verena Brunschweiger – und geht noch einen Schritt weiter. Sie würde auch für Eltern eine Prüfung gutheissen, wie sie zu Nau.ch sagt.
Theorie- und Praxisprüfung für Eltern wie für Neulenker
«Der ‹Elternführerschein› wäre natürlich eine Möglichkeit, für mehr Kindeswohl zu sorgen. Analog zur Führerscheinprüfung könnte man beispielsweise einen Theorie- und einen Praxisteil ansetzen», schlägt sie vor. Es gebe sicher mehrere gute Optionen, wie man das gestalten könnte.
So würden sich Eltern hoffentlich der Verantwortung bewusst, die es bedeutet, ein Kind in die «krisengeschüttelte Welt» zu bringen. Andere Massnahmen, die sie fordert: «Es braucht kostenlose Verhütungsmittel für alle!» Zudem solle es weniger Hürden geben für junge Menschen, sich sterilisieren zu lassen.
«Und die Abtreibungsrechte dürfen keinesfalls noch mehr eingeschränkt werden. Im Gegenteil, die Frist muss verlängert werden», so Brunschweiger.
«Man muss nicht mal lesen und schreiben können, ungeschützter Sex reicht»
Denn für Brunschweiger ist klar: «Es ist heute absolut zu einfach, an eigene Kinder zu kommen. Man muss nicht mal lesen und schreiben können, ungeschützter Sex reicht schon.»
Erzieherinnen und Erzieher, Lehrpersonen, im Prinzip alle, die mit Kindern zu tun hätten, müssen eine Ausbildung absolvieren, betont sie. «Aber Erziehungsberechtigte zu werden, erfordert keine Kenntnisse oder Fähigkeiten.»
Das habe «oft desaströse» Folgen: «Entweder falsche oder gar keine Erziehung oder gar Missbrauch und Gewalt. Das kommt übrigens überall vor, nicht nur in sozioökonomisch schwachen Familien, wie manche meinen.» Es gebe zahlreiche Frauen, die traumatisiert seien, weil sie als Kind von engsten Verwandten vergewaltigt wurden.
Ein Blick auf die Kriminalstatistik zeigt: In der Schweiz nimmt häusliche Gewalt gegenüber Kindern in den letzten gut zehn Jahren leicht zu. 2023 wurden 1735 Minderjährige Opfer häuslicher Gewalt. Davon wurden 728 Mädchen und 601 Jungen in der Eltern-Kind-Beziehung zum Opfer.
Ethiker findet Elternprüfung falsch
Obwohl sich Brunschweiger unter anderem deshalb für mehr Massnahmen gegen Kinderleid einsetzt, erinnert sie an das antinatalistische Credo: «Es ist immer am besten, keinen neuen Menschen zu zeugen, da er automatisch viel Leid erfahren wird.»
Jürg Streuli von der Stiftung Dialog Ethik sieht das anders – er hält nicht viel von einem Elternführerschein. Die Idee findet er zwar interessant. Aber: «Eine Prüfung mit Zwang und Verbot zu verbinden, finde ich aus ethischer und praktischer Sicht problematisch. Aus meiner Sicht wäre es falsch, wenn die Ethik Eltern vorschreiben will, ob sie aufgrund einer Prüfung Kinder haben dürfen.»
Stattdessen sollten Massnahmen gegen Kinderleid auf gesamtgesellschaftlicher Ebene angesiedelt sein, findet er. «Als Unterstützung, Respekt und ehrliches Interesse an der Situation der einzelnen Familie.»
Werde einem Kind wirklich Schaden zugefügt, helfe ein offener und unterstützender Blick, die Situation frühzeitig zu erkennen.
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Brauchen Sie Hilfe?
Sind Sie Opfer von Gewalt geworden? Die Opferhilfe hilft Ihnen dabei, die Erfahrung zu bewältigen, und informiert Sie über Ihre Rechte und weitere Schritte: www.opferhilfe-schweiz.ch.