Braucht es eine Obergrenze für Barbershops und Dönerbuden?
In Schweizer Städten wächst die Zahl von Barbershops und Dönerläden. Der Ruf nach Regulierung wird laut – doch die rechtlichen Hürden sind hoch.
Das Wichtigste in Kürze
- In Schweizer Städten mehren sich Klagen über die Flut an Dönerbuden und Barbershops.
- Wegen diverser Gesetzesverstösse stehen Barbershops künftig unter strengerer Beobachtung.
- Die Einflussmöglichkeiten der Städte auf den Ladenmix sind jedoch begrenzt.
«Schon wieder ein Neuer?», fragt ein Facebook-User augenreibend. Eben hat in seinem Wohnort Grenchen ein weiterer Pizza- und Kebab-Imbiss eröffnet.
Davon gebe es in der Uhrenstadt unterdessen wohl mehr als im zehnmal grösseren Genf, so der Eindruck des Grenchners.
50 Kilometer nordöstlich, in Olten, hat die Kultbäckerei Pino bis auf Weiteres ihre Türen geschlossen. Eine Kommentatorin meint zynisch: «Die grosse Frage ist, ob da nun ein Barbershop oder eine Kebab-Bude einzieht.»
Es sind nur zwei Beispiele, doch sie stehen stellvertretend für den Eindruck, den viele Menschen teilen: In Schweizer Innenstädten herrscht zunehmend ein Überangebot an Dönerläden und Barbershops.
Für Schlagzeilen sorgte im vergangenen Herbst die deutsche Stadt Heilbronn.
CDU und Gewerbetreibende forderten dort eine Obergrenze für solche Geschäfte – mussten die Idee aus rechtlichen Gründen aber wieder verwerfen.
Vorstösse in mehreren Kantonen
Auch hierzulande ist das Thema längst auf dem politischen Parkett angekommen. Insbesondere zu den Barbershops wurden in diversen Städten und Kantonen Vorstösse eingereicht.
Die Politiker verlangten vor allem Auskunft darüber, wie solche Betriebe kontrolliert werden und ob sich diese an gesetzliche Vorgaben halten.
Wegen ihrer Dumpingpreise sind Barbershops in den letzten Jahren zunehmend in Verruf geraten.
Niedrigpreise und tiefe Kundenfrequenz seien ein Indiz, «dass die vorgeschriebenen Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen möglicherweise nicht in allen Betrieben eingehalten werden»: Das hält der Nidwaldner Regierungsrat in seiner Antwort auf einen Mitte-Vorstoss vom März 2024 fest.
40 Prozent mit Gesetzesverstössen
Dass es Barbershops mit dem Gesetz oft nicht allzu genau nehmen, belegen auch die Zahlen.
2021 und 2022 kontrollierte die Zürcher Kantonspolizei 228 Barbershops und Coiffeursalons. Es handelte sich fast ausschliesslich um Barbershops.
Bei 90 der untersuchten Standorte – rund 40 Prozent – wurden Übertretungen festgestellt.
Mehrheitlich ging es um Verstösse gegen das Lebensmittelgesetz, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz.
Das geht aus der Antwort des Zürcher Regierungsrates auf eine entsprechende Anfrage hervor.
Aufhorchen lassen auch die Zahlen der Paritätischen Kommission (PK) des Coiffeurgewerbes.
Von den 241 Coiffeursalons, die die PK 2023 gesamtschweizerisch kontrollierte, hielten sich nur 20 vollumfänglich an den Gesamtarbeitsvertrag (GAV).
Barbershops im Visier der Behörden
Kontrolliert würden zwar alle Arten von Coiffeursalons, sagte Claudia Hablützel, Leiterin der Geschäftsstelle, gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Bei Barbershops und Billigsalons seien die Abweichungen – etwa zu tiefe Löhne oder falsche Lohnabrechnungen – jedoch höher.
Aufgrund dieser Missstände werde die Branche «seit einigen Jahren mit einer hohen Priorität kontrolliert», schreibt die Zürcher Kantonsregierung.
Selbst der Kanton Nidwalden, der eine überschaubare Anzahl Betriebe (9) aufweist, will Barbershops und Billigcoiffeure künftig genauer ins Visier nehmen. «Wegen des gestiegenen Risikos von illegalen Handlungen.»
Olten: 17 Barbershops und rund 20 Dönerläden
Wie aber sieht es präventiv aus? Welchen Handlungsspielraum haben die Städte, um die Zahl der Barbershops und Dönerläden zu beschränken?
Die Stadt Olten als Beispiel: Mit ihren knapp 20'000 Einwohnern beherbergt sie derzeit 17 Barbershops.
Zu den Pizza- und Dönerbuden macht die Stadt keine Angaben; die Zahl stagniere, wobei häufige Wechsel festzustellen seien. Laut Google Maps dürften es jedoch um die 20 sein.
Zum Vergleich: Heilbronn, wo nach einer Obergrenze gerufen wurde, hat ebenso viele Dönerläden (20) und Barbershops (18) – jedoch rund 130'000 Einwohner.
Ein City-Manager für den gesunden Ladenmix
Der Oltner Stadtschreiber Markus Dietler spricht denn auch von einem «sehr grossen Angebot» in beiden Bereichen.
Zugleich macht er klar: Direkten Einfluss nehmen auf die Geschäfte könne die Stadt aufgrund der Gewerbefreiheit nicht.
Steuern liesse sich der Ladenmix etwa über eine Immobilienstrategie – eine solche sei jedoch teuer.
Stattdessen hat Olten im letzten Sommer einen City-Manager verpflichtet, der das Gespräch mit Immobilienbesitzern sucht.
Gemeinsam sollen «Alternativen zu den eine gewisse Überhand nehmenden Nutzungen» angestrebt werden, erklärt Dietler. Dieser Weg sei «vielversprechend, aber aufwendig, langwierig und nicht einfach».
Obergrenze ist kein Thema
Auch bei der Stadt Grenchen sieht man nur indirekte Einflussmöglichkeiten.
Beispielsweise durch Zonenvorschriften oder die gezielte Ansiedlung von weniger vertretenen Geschäftsmodellen (in Zusammenarbeit mit den Immobilienbesitzern).
Angesprochen auf eine Obergrenze für Dönerläden und Barbershops winken die Städte ab.
«Eine solche Obergrenze wäre rechtlich kaum umsetzbar, da sie gegen die Grundsätze der wirtschaftlichen Freiheit verstossen würde.» Das sagt die Grenchner Wirtschaftsförderin Susanne Sahli.
«In der Schweiz ist es Unternehmern grundsätzlich erlaubt, ihre Geschäftsideen frei umzusetzen. Solange sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.»
Coiffeursalons haben wenig Freude an Barbershop-Konkurrenz
Doch warum überhaupt schiessen Barbershops aktuell wie Pilze aus dem Boden?
Die kurze Antwort: Sie bieten Tiefpreise – und das zieht bei der Kundschaft.
«Barbershops bedienen eine klare Nachfrage, die lange ignoriert wurde», sagt Eddine Belaid, Inhaber der Barber Schule Schweiz. «Sie bringen Vielfalt und neue Energie in die Innenstädte.»
Sandra Bossi vom Branchenverband Coiffeur Suisse ergänzt bei Nau.ch: Mit den Niedrigpreisen und dem Fokus auf schnelle Dienstleistungen wie Haarschnitt und Bartpflege sprächen sie «eine preissensible Zielgruppe an».
Laut Bossi können Barbershops traditionelle Coiffeursalons zwar nicht vollständig verdrängen. Trotzdem hat ihre Branche wenig Freude an der Konkurrenz bei Herren-Haarschnitten.
Und: Viele Kunden würden sich fragen, wie die Billigsalons mit solch niedrigen Preisen leben und Löhne zahlen können.
«Dieser schlechte Ruf ist sicherlich nicht gut für das Image der gesamten Branche», so Bossi.