Cold Case: Schweizer und Italiener wegen Mord von 2007 vor Gericht
Im Indizienprozess um einen Mord vom Dezember 2007 vor dem Bezirksgericht Frauenfeld haben am Montag der Ankläger und einer der beiden Verteidiger ihre Anträge gestellt. Der Staatsanwalt forderte lebenslänglich wegen Mordes, der Verteidiger vollumfängliche Freisprüche.
Beschuldigt sind ein heute 63-jähriger Schweizer Wirt und ein 59-jähriger italienischer Kranführer. Dessen Verteidiger kommt am Dienstag zu Wort. Die beiden sollen im Dezember 2007 einen 27-jährigen Ägypter ermordet und im Thurgauer Barchetsee versenkt haben.
Entdeckt wurde die Leiche am 13. Dezember. Sie war mit einem Betonelement beschwert, das mit Seilen um den Körper gebunden war. Die Rechtsmediziner stellten vier Schussverletzungen fest, eine davon im Kopf.
Trotz umfangreicher Ermittlungen kam die Polizei der Täterschaft nicht auf die Spur. Das Tötungsdelikt wurde zum so genannten «Cold Case». Erst Jahre später rollten die Strafverfolgungsbehörden den Fall neu auf und setzten dabei auch verdeckte Ermittler ein. Im August 2022 wurden die beiden Verdächtigen verhaftet.
Befragte vor Gericht nicht geständig
In seiner Befragung vor dem Bezirksgericht wies der Schweizer am Montag jegliche Schuld von sich. Der Italiener machte wie schon in der Untersuchung von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch.
Der Staatsanwalt forderte eine Verurteilung der beiden Männer wegen Mordes und eine Bestrafung mit einer je lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Im Zentrum der Anklage steht eine Aussage, die der Schweizer Anfang 2022 gegenüber verdeckten Ermittlern gemacht hatte. Diese waren zu Prozessauftakt vergangene Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt worden.
Den verdeckten Ermittlern habe er unaufgefordert die Tat geschildert. Dabei habe er «klassisches Täterwissen» preisgegeben, so der Staatsanwalt.
Ehefrau soll Mord beauftragt haben
Die Schweizer Ehefrau des Ägypters habe ihren gewalttätigen Ehemann und Drogendealer loshaben wollen. Nachdem sie erfolglos versucht habe, via Behörden seine Ausweisung zu erwirken, habe sie die beiden Beschuldigten mit der Tötung beauftragt.
Die Schilderungen des Schweizers gegenüber den verdeckten Ermittlern deckten sich laut Ankläger mit der Auffinde-Situation der Leiche, den Befunden der Rechtsmediziner und der weiteren Spurenlage. An der Täterschaft der beiden Beschuldigten gebe es keine Zweifel.
Davon könne keine Rede sein, sagte der Verteidiger des Schweizers. Er bemühte sich nach Kräften, beim Gericht Zweifel zu säen an der Täterschaft seines Mandanten und damit auch des als Mittäter beschuldigten Italieners. Ein Schuldspruch darf nur erfolgen, wenn das Gericht keine vernünftigen Zweifel hegt.
Die Anklageschrift enthalte Widersprüche, Unstimmigkeiten und gar «offensichtliche und schamlose Unwahrheiten», kritisierte der Verteidiger. Zudem sei die Untersuchung einseitig geführt worden: Es seien «nur belastende Elemente zu Ungunsten der Beschuldigten gesucht» worden. Entlastende Faktoren habe man vernachlässigt.
«Erschlichenes» Geständnis
Der Einsatz der verdeckten Ermittler war laut Verteidiger unzulässig. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt gewesen. Zweck sei es gewesen, seinen Mandanten zu täuschen, ihn «über den Tisch zu ziehen» und zu Aussagen zu bringen, die er bei einer ordnungsgemässen Befragung nie gemacht hätte.
Das «erschlichene» so genannte Geständnis sei deshalb «offensichtlich nicht verwertbar». Die Schilderungen stimmten im Übrigen nicht mit den Erkenntnissen der Gerichtsmedizin überein, sagte der Verteidiger. Sein Mandant sei ein «Plauderi» der viel erzähle.
Der Schweizer, der seit seiner Festnahme im August 2022 in Haft ist, sei umgehend auf freien Fuss zu setzen. Der entstandene Schaden sei ihm zu ersetzen und es sei ihm für die ungerechtfertigte Haft eine Genugtuung zuzusprechen.