Coronavirus: Ärztin relativiert den Effekt des Roche-Medikaments

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Basel,

Roche hat sein erstes Corona-Medikament in der Pipeline. Der Bund will die Antikörper-Therapie gar berappen. Was taugt das «Wundermittel» gegen das Coronavirus?

Roche
Roche hat eine neue Pharmachefin. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Roche-Medikament wirkt gegen das Coronavirus selbst, nicht nur gegen die Symptome.
  • Doch es ist aufwendig in Produktion und Verabreichung – und teuer.
  • Infektiologin Maria Christine Thurnheer erklärt, warum es kein «Game Changer» ist.

Donald Trump hat sich mit dem Coronavirus infiziert! Vor einem halben Jahr ging diese Nachricht wie ein Lauffeuer um die Welt, ebenso wie die Nachricht seiner raschen Genesung.

Dass sich der damalige US-Präsident, selbst der Risikogruppe zugehörig, schnell erholte, dürfte unter anderem an der Behandlung gelegen haben. Das Medikament des Herstellers Regeneron war in aller Munde: Als eines der ersten bekämpft es das Coronavirus selbst, nicht die Symptome.

Das US-Unternehmen hat sich für Produktion und Vertrieb mit dem Schweizer Pharmariesen Roche zusammengetan. Gemeinsam wollen sie das Medikament auch in der Schweiz einsetzen – und erhalten positive Signale vom Bundesrat.

Coronavirus Alain Berset
Bundesrat Alain Berset spricht an einer Medienkonferenz zu beschlossenen Massnahmen zur Covid-19-Pandemie. - keystone

Dieser teilte diese Woche mit, der Bund übernehme in einer ersten Phase die Millionen-Kosten für Antikörper-Medikamente. 100 Millionen hat der Bund für Arzneimittel für besonders gefährdete Personen freigegeben, erklärte Gesundheitsminister Alain Berset.

Doch bei allen Erwartungen: Das Roche-Medikament ist nicht der erhoffte «Game Changer» im Kampf gegen das Coronavirus, warnt eine Infektiologin.

So wirkt das neue Roche-Medikament

Beim Medikament, welches von Regeneron entwickelt und von Roche produziert und vertrieben wird, handelt es sich um einen Antikörper-Cocktail. Die beiden Wirkstoffe, Casirivimab und Imdevimab verhindern das Eindringen des Coronavirus in die Körperzellen. Damit wird das Coronavirus an der Vermehrung gehindert. Der Wirkmechanismus ist damit ähnlich, wie wenn die körpereigenen Antikörper eine Infektion bekämpfen.

In der Phase 3 der klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass bei nicht-hospitalisierten Patienten schwere Verläufe oftmals verhindert werden können: Wird das Medikament in der frühen Phase nach der Infektion verabreicht, sinkt die durchschnittliche Krankheitsdauer von 14 auf zehn Tage. Bei den Behandelten kommt es seltener zu Spital-Aufenthalten.

Coronavirus Roche Regeneron Medikament
Anfang Oktober infizierte sich Donald Trump mit dem Coronavirus. Da die Infektion früh erkannt wurde, konnte er mit dem Roche-Medikament behandelt werden. - Keystone

Genau bei der frühen Verabreichung sei jedoch der Haken, erklärt Maria Christine Thurnheer, Infektiologin am Berner Inselspital: «Das bedingt, dass man die Erkrankten früh nach der Infektion erwischt». Oftmals sind die Symptome zu diesem Zeitpunkt noch milde, die Erkrankten wissen noch nicht, dass sie infiziert sind.

Selbst, wenn reagiert werden kann, ist es nicht mit einer Pille getan. «Das Medikament muss per Infusion verabreicht werden, man kann es nicht einfach schlucken. Sollte man Casirivimab und Imdevimab also im Sinne der Pandemie-Bekämpfung breit einsetzen wollen, wäre dies ein enormer logistischer Aufwand.»

Ein Medikament für wenige

Hinzukommt, dass die Produktion von Antikörper-Medikamenten im Vergleich zu vielen anderen Medikamenten enorm aufwändig ist.

Die Konsequenz ist ein hoher Preis. Auf Anfrage wollte sich Roche noch nicht zur Preisgestaltung äussern, Details liefert ein Deal aus Deutschland. Dort wurden im Januar 200'000 Dosen zweier Antikörper-Präparate vorbestellt – für 400 Millionen Euro. Pro Dosis kosten die Medikamente also 2000 Franken – der Preis des Roche-Medikaments dürfte sich in einer ähnlichen Preisklasse ansiedeln.

Coronavirus Roche Medikament
Blick in eine Antikörper-Produktion von Eli Lilly. Im Vergleich zur Impfstoffproduktion ist die Antikörper-Gewinnung hochkomplex. - Keystone

Eine weitere Konsequenz der aufwendigen Produktion ist eine geringe Produktionskapazität. Roche erklärt: «Wir erwarten, dass wir gemeinsam mit unserem Partner Regeneron jährlich mehr als 2 Millionen Dosen des Antikörper-Cocktails herstellen können werden.» Damit kommt das Präparat für die breite Eindämmung der globalen Pandemie kaum infrage.

Einsatzbereiche ausserhalb der Pandemie-Bekämpfung

Casirivimab und Imdevimab können der Pandemie nicht ihren Schrecken nehmen – dennoch ist Maria Christine Thurnheer von der Wirksamkeit überzeugt. Für Personen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, wäre das Medikament hilfreich und könnte Komplikationen verhindern.

«Wir verwenden in Einzelfällen bereits jetzt Antikörper-Therapien.» Diese kommen Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen ein besonders schwaches Immunsystem haben, zugute.

Coronavirus Antikörpertherapie Regeneron Roche
Auch im Blutplasma von Genesenen Covid-Patienten finden sich die Antikörper, die das Virus bekämpfen. Diese können zur Behandlung anderer Patienten eingesetzt werden. - Keystone

Hierfür wird sogenanntes Rekonvaleszentenplasma verwendet: Blutplasma von Patienten, die eine Infektion durchgemacht und Antikörper gegen das Virus generiert haben. Dieses wird in ausgewählten Situationen besonders vulnerablen Patienten verabreicht.

«Das Roche-Medikament hat den Vorteil, dass man genauer weiss, was drin ist. Es wäre plausibel, dass das Roche-Medikament auch dieser Patientengruppe helfen könnte», erklärt Thurnheer. Studien hierzu sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Damit hat das Roche-Medikament das Potenzial, Leben von am Coronavirus Erkrankten zu retten. Doch es ist nicht das richtige Mittel, um die die Massnahmen-Lockerung zu beschleunigen: Dafür bleibt das Medikament zu sehr ein Nischenprodukt.

«Die Idee, dass das Medikament jetzt der ‹Game Changer› ist, ist illusorisch», schlussfolgert Thurnheer. Besser sei es, die Impfung weiter zu forcieren: «Das ist günstiger und verspricht einen langfristigeren Schutz.»

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