Coronavirus: Auf dem Land mangelt es an Testmöglichkeiten
Personen, die das Coronavirus nicht weitergeben können, werden bald privilegiert. Auf dem Land drohen deshalb Benachteiligungen. Doch Lösungen liegen bereit.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat plant Privilegien für Geimpfte, Genesene und Getestete.
- Doch in gewissen Gegenden muss man für einen Test einen weiten Weg auf sich nehmen.
- Der Gemeindeverband nennt drei mögliche Lösungen.
Schlüssel, Portemonnaie, Handy und Maske? Der Check, ob man das Wichtigste hat, bevor man das Haus verlässt, wurde durch das Coronavirus um die Schutzmaske erweitert. Bald soll noch etwas hinzukommen: das Corona-Zertifikat. Darin soll vermerkt sein, ob eine Person geimpft oder genesen ist oder kürzlich negativ getestet wurde.
Das Zertifikat ist Teil des dreiteiligen Öffnungsplans, den Alain Berset vorgestellt hat, und soll nicht-ansteckenden Personen Privilegien einräumen. Wer das Zertifikat nicht hat, kann von gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen werden. Dies stösst auf Kritik: Es kann dazu führen, dass Personen ungerechtfertigt diskriminiert werden.
Medizinethikerin Nikola Biller-Andorno befürchtet im Gespräch mit Nau.ch Nachteile vor allem für Personen, die auf dem Land leben. In den Städten ist das Testangebot weit ausgebaut, viele Apotheken und Testzentren unterstützen die Spitäler.
In gewissen ländlichen Gemeinden hingegen ist es eher karg. Wer sich auf das Coronavirus testen lassen will, muss teils einen weiten Weg auf sich nehmen.
25 Minuten Fahrt für Test auf Coronavirus
Dies ist beispielsweise in der luzernischen Kleinstadt Willisau der Fall. Weder die drei Apotheken noch die vier Hausarztpraxen bieten Tests auf das Coronavirus für die fast 9000 Einwohner an. Wer sich testen lassen will, wird ans 15 Minuten entfernte Spital Wolhusen verwiesen. Die Gemeinde wollte sich nicht zur Testsituation äussern und verwies auf den Kanton.
Grundsätzlich könne man sich bei jedem Hausarzt und in jeder Apotheke testen lassen, meldet der Kanton Luzern auf Anfrage. «Warum die Hausarztpraxen und die Apotheken in Willisau keine Tests anbieten, entzieht sich unserer Kenntnis.» So David Dürr, Leiter der Dienststelle Gesundheit und Sport. Er verweist auch darauf, dass in der Agglomeration Luzern, wo es mehrere Testmöglichkeiten gibt, diese «leider kaum benützt werden».
Ähnlich präsentiert sich das Testangebot in Engelberg. In der obwaldischen Exklave gibt es zwar drei Hautarztpraxen und eine Apotheke für rund 4500 Einwohner. Getestet werden aber nur symptomatische Personen.
Damit wolle man verhindern, dass die Hausärzte an ihre Kapazitätsgrenzen kommen und keine anderen Patienten behandeln können. Dies sagt der Engelberger Gemeindeschreiber Roman Schleiss auf Anfrage.
Die nächste Testmöglichkeit befindet sich für Engelberger im 25 Minuten entfernten Kantonsspital Nidwalden in Stans. Eine andere Option ist das obwaldische Testzentrum in Sarnen, das rund 35 Minuten entfernt liegt. Schleiss sagt jedoch, dass der Ausbau des Testangebots in Engelberg in Planung sei.
Bisher zeigten sich keine Probleme, «dass die Engelberger sich im kantonalen Testzentrum in Sarnen (oder einem anderen Ort) testen liessen». Dies schreibt der Kanton Obwalden auf Anfrage und verweist auf die Selbsttests und das repetitive Testen. Dieses kommt bisher in Unternehmen und Schulen zum Einsatz.
Gemeindeverband sieht drei Lösungsoptionen
Der Schweizerische Gemeindeverband findet es grundsätzlich ärgerlich, wenn Ärzte und Apotheken keine Tests anbieten. «Es sollte ohne grosse Reisezeiten möglich sein, zu einem Test zu kommen», sagt Jörg Kündig, Vizepräsident des Verbandes, auf Anfrage. Er schlägt drei Wege vor, wie das möglich sein kann.
Es müssten mehr Menschen vor Ort in den Gemeinden befähigt werden, Tests auf das Coronavirus durchzuführen. Kündig nennt hier die Spitex-Organisation oder ehemalige Mitarbeitende des Gesundheitswesens als Beispiele. Andernfalls könne man das Testangebot mit mobilen Teststationen ausbauen. Dies wäre aber deutlich kostenintensiver und auch logistisch eine ziemliche Herausforderung.
Die dritte Option wären verlässlichere Selbsttests, die für die Zertifizierung genügen. Kündig geht davon aus, dass deren Qualität laufend verbessert wird. Doch dann müsste auch die Verfügbarkeit verbessert werden. Neben Apotheken könnten auch Gemeinden oder Läden die Selbsttests abgeben, sagt Kündig, «allerdings müssten diese wohl vom BAG ermächtigt werden».