Coronavirus: Beizer von Café Viktoria arbeitet 100 Stunden pro Woche
Als Beizer müsse man sich in Zeiten des Coronavirus aufopfern, sagt Bruno Magalhaes. Nur Dreiviertel aller Beizen würden den Winter überleben. Ein Interview.
Das Wichtigste in Kürze
- Bruno Magalhaes (34) führt in Bern das Café-Restaurant Viktoria.
- Der Beizer schuftet sich mit seinem Koch durch die Corona-Krise.
- Er geht davon aus, dass ein Viertel der Restaurants den Winter nicht überstehen werden.
Es ist eine kleine Kunst mit dem Berner Beizer Bruno Magalhaes (34) ein Interview zu führen. Immer wieder steht er auf, muss Gäste bedienen und am Telefon warten Lieferanten. Er ist geduldig.
Seit drei Jahren führt der Tausendsassa im Berner Breitenrainquartier das Café-Restaurant Viktoria. Die Karte im portugiesischen Zwei-Mann-Betrieb ist klein, aber fein. Beliebt sind die frischen Fische und seine Cataplanas (Eintöpfe).
Das Coronavirus hat das Leben von Magalhaes verändert. Gemeinsam mit seinem Koch Dantcho (41) bewirtet er die Gäste mit einer Pace, als wenn es kein Morgen geben würde. Immer gut gelaunt und voller Lebensmut.
Nau.ch: Bruno Magalhaes, wie erleben Sie als Beizer die Zeiten des Coronavirus?
Bruno Magalhaes: Kurz vor der Krise habe ich eine Service-Kraft verloren. Ich habe mich entschlossen, diese nicht zu ersetzen und den Laden in dieser Zeit gemeinsam mit meinem Koch zu führen.
Wir wollen jetzt kein Risiko eingehen. Trotz der Beschränkungen läuft der Laden. Ich arbeite jetzt für drei, mache den Service, bestelle die Waren und führe die Buchhaltung. Mein ambitioniertes Ziel ist es, das Jahr trotz Coronavirus mit schwarzen Zahlen abzuschliessen.
Nau.ch: Sie kämpfen ums Überleben?
Bruno Magalhaes: Ja. Ich arbeite rund 380 Stunden im Monat. Ich beisse mich durch diese Zeit, die Gäste sind da. Im 2021 muss ich dann neue Entscheidungen treffen.
Nau.ch: Sehen Sie Ihre Verlobte überhaupt noch?
Bruno Magalhaes: Sie unterstützt mich zu hundert Prozent, macht sich aber gleichzeitig Sorgen um meine Gesundheit. Die konstante Präsenz im Restaurant ist das Problem.
Ich bin gegen 7 Uhr im Restaurant und schliesse kurz vor Mitternacht. Einen Ausgleich zum Job gibt es nicht.
Nau.ch: Müssen wir uns Sorgen machen? Das halten Sie nicht lange durch.
Bruno Magalhaes: Das ist richtig. Deshalb schliesse ich die Beiz nach dem Sonntag neu auch am Montag. Dann kann ich die Buchhaltung in Ruhe machen und Büroarbeiten erledigen.
Nau.ch: Haben Sie Angst vor einem Burnout?
Bruno Magalhaes: Ich habe Respekt davor. Meine Stammgäste warnen mich schon (lacht).
Nau.ch: Gibt es für einen Beizer trotz Coronavirus auch positive Aspekte?
Bruno Magalhaes: Ja. Die Stammkunden sind mein tägliches Brot. Es ist schön, dass Sie mir auch in den grössten Krise Vertrauen schenken und vorbeikommen. Und ich kümmere mich sehr gerne um sie.
Nau.ch: Was ist Ihre grösste Sorge?
Bruno Magalhaes: Mir fehlt die Planungssicherheit. Ich weiss nicht, wie die Situation im Oktober aussieht, wenn ich die Terrasse nicht mehr bewirtschaften kann. Die behördlichen Massnahmen sind jetzt in Ordnung, dürfen aber keinesfalls strenger werden.
Falls im Winter weniger Gäste kommen, kann ich mich körperlich etwas schonen. Dafür muss ich mir aber jetzt im Sommer eine Reserve erarbeiten, damit ich den Winter überstehen kann.
Nau.ch: Wagen Sie eine Prognose für das Gastgewerbe?
Bruno Magalhaes: Es wird blutig werden. Ich gehe davon aus, dass ungefähr drei Viertel der Restaurants die Krise überleben werden. Ganz viele werden ihr Projekt und Geschäftsmodell jedoch überarbeiten müssen.
In den ersten Wintermonaten werden wohl ein Viertel der Restaurants schliessen müssen. Leider. Sie werden die Krise nicht überleben.
Nau.ch: Was stimmt Sie positiv?
Bruno Magalhaes: Ich habe trotz Corona gleich viele Gäste wie im letzten Jahr. Meine krassen Öffnungszeiten zahlen sich aus.
Viele Brotsamen geben ein Brot. Als selbständiger Beizer muss ich mich jetzt aufopfern. Es ist ein Überlebenskampf.