Coronavirus: Ein Bestatter erzählt
Das Coronavirus hat auch die Arbeit von Bestattungsunternehmen verändert. Der Job ist körperlich und seelisch noch anstrengender geworden.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Nau.ch-Corona-Serie teilen Menschen ihr Schicksal.
- Ein Aargauer Bestatter erzählt, wie er die Corona-Zeit erlebt.
Ein kalter Tag im November. Der Himmel über dem Friedhof Vordemwald AG ist verhangen. Die Gemeindearbeiter haben ein frisches Grab ausgehoben. Ein weisser Leichenwagen fährt vor. Sein Passagier tritt seine letzte Reise an.
«Erdbestattungen sind selten geworden», sagt Mikel Rüegger, seit 2017 Geschäftsleiter des Zofinger Bestattungsunternehmens Jost. Das hat allerdings nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun, es ist ein seit Langem anhaltender Trend. Trotzdem hat COVID-19 auch die Arbeit der Bestatter verändert.
Bestatter vermisst den Händedruck
Mikel Rüegger hat grossen Respekt vor dem Virus. Es geht ihm aber vor allem auch darum, seine Mitarbeitenden zu schützen. Schon früh hat man bei Jost Bestattungen GmbH auf den traditionellen Händedruck verzichtet. «Das fehlt mir persönlich sehr», sagt Mikel Rüegger. Es ist für Trauernde besonders schwer, auf Nähe zu verzichten.
Die Arbeit der Bestatter verlangt viel Fingerspitzengefühl. So muss ein Leichnam zuerst abgeholt werden. Danach erfolgt die hygienische und ästhetische Versorgung – Waschen, Bekleiden (manche Angehörige wünschen, dass der Verstorbene seine eigene Kleidung trägt). Danach wird die verstorbene Person eingesargt und für die Trauerfeier und die Bestattung vorbereitet.
Coronavirus: Aufbahrung ist derzeit verboten
Bis anhin war es üblich, Verstorbene für Familie und Freunde aufzubahren. Die Aufbahrung dient dem Abschied nehmen und häufig auch dem Begreifen des Todesfalls. Bei der offenen Variante wird der Verstorbene in den geöffneten Sarg oder auf eine Totenbahre gelegt. Dies ist derzeit ausgeschlossen. Die Aufbahrungshalle in Zofingen AG verfügt über abgetrennte Abteile, die Verstorbenen sind räumlich durch eine Glasscheibe vom Besucherraum abgetrennt. Diese Vorrichtungen sind aber selten geworden.
Während der ganzen Zeit begleiten die Bestatter auch die Trauerfamilien, sind oft die ersten Kontakte für Hinterbliebene. Sie spenden Trost, beraten zum Thema Trauerbewältigung und helfen bei den anstehenden Behördengängen, der Organisation von Trauerfeiern und natürlich der Bestattung selbst.
Schon in normalen Zeiten also keine einfache Aufgabe. Der Job ist sowohl körperlich als auch emotional sehr anstrengend. Erschwerend kommen jetzt noch die hygienischen Massnahmen hinzu. Die Bestatter bei Jost GmbH tragen zwei Schutzmasken, Schutzbrille, einen Operationsanzug und zwei Paar Handschuhe. Dazu gibt es genaue Richtlinien, wie die Schutzkleidung an- und auszuziehen ist. «Das Schwierigste dabei ist, dass wir nicht wissen, ob wir wirklich alles richtig machen», sagt Mikel Rüegger. Er macht sich auch Gedanken über die Zukunft. Erdbestattungen, jetzt schon rückläufig, dürften wohl in Zukunft noch seltener werden. Zurzeit stossen die Krematorien an ihre Kapazitätsgrenzen.
Kaum normale Todesfälle während Corona
Mikel Rüegger: «Auffallend war, dass wir in der ersten Welle während dem Lockdown kaum normale Todesfälle hatten.» Insbesondere die Zahl von Verkehrstoten sei drastisch gesunken. Lange Zeit sah es gut aus für die Schweiz. Dass die Fälle im Herbst aber schon wieder so anstiegen, macht Mikel Rüegger Sorgen. Er empfindet es als problematisch, dass die Kompetenzen nicht mehr beim Bund, sondern bei den Kantonen liegen.
Manche Menschen gingen zu sorglos mit der aktuellen Situation um, glaubt er. Während der ersten Welle waren lediglich 5 Personen an einer Beerdigung zugelassen (Aktuell sind gemäss BAG «Beerdigungen mit wenigen Personen» erlaubt). Mikel Rüegger empfiehlt auch, auf das traditionelle Trauermahl zu verzichten (Anm. Redaktion: aktuell sind Restaurants auf Verordnung des Bundes geschlossen).
«Leider wird uns dieser Virus noch lange beschäftigen», resümiert Mikel Rüegger. Das bedeutet auch, dass wir alle mehr aufeinander achten sollten und unsere eigenen Bedürfnisse etwas weniger wichtig werden.
*Mikel Rüegger ist seit 2017 Geschäftsführer der Alfred Jost GmbH. Kraft schöpft er bei seiner Familie. Rüegger ist Vater von zwei Kindern im Alter von 2 und 3 Jahren.