Coronavirus: Impf-Chef über Astrazeneca-Zögerei und Herdenimmunität
Noch immer lässt die Zulassung für den Astrazeneca-Impfstoff gegen das Coronavirus auf sich warten. Nun übt der Impf-Chef Druck auf Swissmedic aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Swissmedic prüft noch immer das Impfstoff-Zulassungsgesuch vom Hersteller Astrazeneca.
- Impf-Chef Christoph Berger hatte kürzlich die Zulassung «in einem Monat» angekündigt.
- Wie er nun erläutert, wäre der Impfstoff bei einer späteren Zulassung kaum noch notwendig.
Ein halbes Jahr ist es her, seit der erste Impfstoffhersteller der Schweiz einen Funken Hoffnung versprüht hat. Am 6. Oktober reichte der britisch-schwedische Hersteller Astrazeneca sein Zulassungsgesuch bei Swissmedic ein.
Danach folgten zwei weitere Impfstoff-Hersteller, Moderna und Pfizer/Biontech, beide Vakzine sind mittlerweile zugelassen und werden verimpft. Astrazeneca steht immer noch in der Warteschlaufe. Offenbar sind die Bedenken nach Vorfällen von möglicherweise schweren Nebenwirkungen noch zu gross.
Umso mehr verwundert es, kündet der oberste Impf-Chef Christoph Berger letzte Woche bei SRF an: Die Zulassung folge «in einem Monat».
Die Schweizerische Arzneimittelbehörde Swissmedic hingegen widerspricht, über konkrete Daten gebe sie keine Auskunft. Des Weiteren irritierte Berger gar Moderator Athur Honegger, als er ankündigte, es brauche eine Durchimpfung von 80 bis 90 Prozent.
Nun erklärt sich der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen EKIF bei Nau.ch.
Fährt der Zug für Astrazeneca bald ab?
Die Prognose, der Impfstoff werde «in einem Monat» zugelassen, «war nur so ein Good Guess», gut geraten. Aber: Die EKIF muss, sobald der Impfstoff von Astrazeneca von Swissmedic zugelassen wird, möglichst rasch eine Impfempfehlung vorlegen können.
«Darum besprechen wir das jetzt vor und machen Annahmen. Unter anderem, dass der Impfstoff in beispielsweise etwa einem Monat zugelassen sein könnte.» Berger sieht geringe Chancen, dass die Zulassung schon früher erfolgen könnte.
Der Impf-Chef macht Druck: «Falls die Zulassung erst in Monaten erfolgt, brauchen wir den Impfstoff immer weniger.» Denn die Schweiz habe viel von den «extrem wirksamen mRNA-Impfstoffen». Anders wäre es, wenn die Schweiz nur einzig den Astrazeneca-Impfstoff zur Verfügung hätte.
Berger glaubt auch ohne Astrazeneca an eine rasch fortschreitende Impfkampagne im Kampf gegen das Coronavirus. Doch wesentlich dafür ist nicht nur, welcher Impfstoff verabreicht wird, sondern auch, wie viele sich impfen lassen.
Hoffnung auf die Herdenimmunität gegen Coronavirus schwindet
Eine Durchimpfung von 90 Prozent, wie sie der Impf-Chef bei SRF ansprach, sei in der Tat nicht realistisch. «Was ich damit sagen wollte: Wenn wir eine Herdenimmunität haben wollen, dann wäre eine 90-prozentige Durchimpfung notwendig.»
Doch schon seit der Weihnachtszeit habe er stets betont: «Ich will gegen das Coronavirus impfen, um Krankheiten zu verhindern.» Dieses erste Ziel würde die Schweiz mit «sehr guten Impfstoffen» erreichen.
Immer wieder werde die Frage nach der Herdenimmunität, wie wir sie bei den Masern anstreben, aufgeworfen. Berger zweifelt aufgrund drei verschiedener Aspekte daran, dass diese beim Coronavirus erreichbar ist.
«Erstens wegen der Impfung: Wir brauchen Impfstoffe, die auch vor der Übertragung des Coronavirus schützen. Hier fehlen uns noch genauere Erkenntnisse.» Aber auch die Gewissheit, wie lange die Impfung schützt. «Für die Herdenimmunität müssten wir eine ausreichende Zeitspanne finden, in der das Virus nicht mehr zirkulieren kann.»
Zweitens: Die Eigenschaften des Virus. «Beim Wuhan-Typ sind wir von einer Herdenimmunität von 60 bis 70 Prozent ausgegangen. Doch je ansteckender das Virus, desto grösser die notwendige Immunität.» Mit der ansteckenderen britischen Variante ist bereits eine Immunität von 80 Prozent der Bevölkerung notwendig.
«Und drittens spielt auch mit, wie viele Personen sich impfen lassen, respektive immun sind.» Dass sich 90 Prozent der Bevölkerung impfen lassen will, ist nicht realistisch, sagt nun Berger. Rund 20 Prozent der Bevölkerung ist nicht älter als 20 Jahre. Folglich müssten sich auch Kinder und Jugendliche impfen lassen.
Hier spricht der Impf-Chef klare Worte: «Aber ich möchte Kinder impfen lassen. Nicht zum Zweck der Herdenimmunität, sondern um sie zu schützen.»