Coronavirus kann Angstzustände und Depressionen auslösen
Das Coronavirus kann zu schwerwiegenden körperlichen Spätfolgen, dem «Long Covid» führen. Aber auch psychische Langzeitfolgen wie Angststörungen sind möglich.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine bekannte Zürcher Bloggerin leidet nach einer Corona-Erkrankung unter Panikattacken.
- Menschen können nach einer Erkrankung das Vertrauen in ihren Körper verlieren.
- Psychische Folgen sollten gemäss einer Expertin möglichst früh angegangen werden.
Die bekannte Foodbloggerin Carrie Meier-Ho lag eine Woche auf der Intensivstation des Zürcher Triemlispitals. Bei der 38-jährigen Wahl-Zürcherin kollabierte nach dem positiven Test die Lungen, Carrie wurde notfallmässig eingewiesen.
Das Coronavirus erwischte die Bloggerin von «Harrys Ding» ohne Vorerkrankungen heftig. Fünf Tage lang musste Meier-Ho mit einer Sauerstoffmaske versorgt werden. Das Virus schlug sich aber auch auf ihre Psyche nieder.
Immer wieder erleide sie Panikattacken, so die gebürtige Singapurerin. «Ich glaube dann, ich könne nicht mehr atmen.»
Dass eine Erkrankung mit dem Coronavirus körperliche Langzeitfolgen mit sich bringen kann, das ist bereits seit Längerem klar. Geschmacksverlust oder Atembeschwerden können sich über Wochen und Monate hinziehen.
Solche Spätfolgen des Coronavirus werden unter dem Begriff «Long Covid» zusammengefasst. Jedoch sind bisher körperliche Langzeitfolgen kaum erforscht. Folgen auf die Psyche sind noch viel weniger bekannt.
Keine typischen psychischen Langzeitfolgen
«Typische psychische Langzeitfolgen gibt es nicht, sie sind sehr individuell», erklärt Psychologin Jacqueline Frossard. Sie ist vom Vorstand der Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen. Betroffene können aber etwa das Vertrauen in ihren Körper verlieren – «das kann massiv sein. Sie werden ängstlich, denken, jede kleinste Beschwerde könnte bereits schlimm sein.»
Dies habe etwas von einer Traumatisierung. Von einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu sprechen, ginge aber zu weit. «Es entspricht eher einem Minitrauma.»
Auch für Liliana Paolazzi, Fachverantwortliche Beratung der Stiftung Pro Mente Sana, die sich für psychisch beeinträchtigte Menschen einsetzt, ist klar: «Isolation und Todesangst sind schwerwiegende Erfahrungen, die auch schwierig zu verarbeiten sind.»
Diese Erfahrungen können sich zu Angststörungen, Stimmungsschwankungen und Depressionen entwickeln, so Paolazzi. Umso mehr sind sie mit Atemproblemen, der Angst, zu ersticken, und Erfahrungen auf der Intensivstation, wie im Fall oben, verbunden.
Aber auch Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme oder andere psychosomatische Beschwerden könnten auftreten.
Lebensbedrohliche Krankheiten können psychische Auswirkungen haben
Eine italienische Studie hat bei rund 30 Prozent der 381 untersuchten Patienten während der Genesungsphase Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung festgestellt. Weitere Diagnosen im Zusammenhang mit dem Coronavirus waren Depression, hypomanische Phasen sowie psychotische Symptome. Paolazzi verweist aber auf die sehr kleine Zahl der untersuchten Patienten. Weitere Studien müssen noch gemacht werden, um die Resultate zu validieren.
«Die gezeigten Symptome könnten auch Anzeichen einer akuten Belastungsstörung sein, die sich eventuell im Verlauf des Genesungsprozesses wieder reduzieren.» Dennoch könne es sein, dass die Erfahrung zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Depression oder zu einer anderen Angststörung führen könne. Diese kann das Leben der Betroffenen über längere Zeit beeinträchtigen.
Erfahrungen aus anderen lebensbedrohlichen Krankheiten zeigen, dass es zu psychischen Auswirkungen kommen kann. Paolazzi dazu: «Die Erfahrungen, sich an ‹der Schwelle des Todes› zu befinden, kann einen tiefen Impact auf das weitere Leben haben und Ängste erzeugen, die so vorher nicht da waren.»
Wichtig, über psychische Folgen des Coronavirus zu sprechen
Sie weist aber auch darauf hin, dass genau das Gegenteil passieren könne. Also dass Menschen das Leben unter einer anderen Optik sehen und intensiver leben.
Gerade aber bei vorbelasteten Menschen sei das Risiko höher, dass sich längerfristig psychische Probleme entwickeln. Zeigen sich solche Symptome über einen längeren Zeitraum nach der Genesung, sei es wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen. «Angsterkrankungen sind sehr ‹hartnäckig›, aber gut behandelbar.» Es gelte: «Je früher man sich Hilfe holt, desto schneller ist der Genesungsprozess.»
Dies stützt auch Frossard. Wenn jemand verunsichert sei und das Vertrauen in den Körper oder die Welt verliere, sei ganz wichtig, darüber zu sprechen. «Am besten mit Leuten, die einem nahestehen, die einem guttun und verständnisvoll sind», so die Psychologin.
Wenn dies nicht ausreiche, soll man sich an eine Beratungsstelle wenden oder psychotherapeutische Hilfe beanspruchen. Auch kann man sich immer an den Sozialdienst eines Spitals oder den Hausarzt wenden.
Sich auf eine solche Belastung selbst vorzubereiten sei hingegen schwierig, weil man nicht wisse, was da auf einen zukomme. «Grundsätzlich helfen immer gute Beziehungen zu pflegen, eine gesunde Ernährung und auch Bewegung ist ganz wichtig.» Das stärke auch das Vertrauen in den eigenen Körper.
Darüber hinaus sei es wichtig, wachsam zu sein. Denn: «Auch Alkoholismus, Depressionen und Angstzustände können Langzeitfolgen von Covid-19 sein.»
Angstzustände würden sich etwa äussern, indem man gewisse Sachen meidet, sei es das Tram oder den Lift. «Diese Folgen müssen möglichst früh angegangen werden.» Auch für Angehörige gelte darum, möglichst aufmerksam zu sein und bei Anzeichen Leute «liebevoll, aber deutlich» drauf aufmerksam zu machen.