Die Romandie reagierte auf die Lockerungen des Lockdowns verhaltener als die Deutschschweiz. Das dürfte auch mit der ungleichen Betroffenheit zu tun haben.
Coronavirus Romandie
Bundesrat Alain Berset diskutiert mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Ende einer Medienkonferenz des Bundesrates über die Situation des Coronavirus. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die geplante Corona-Lockerung wurde nicht überall in der Schweiz gleich gut aufgenommen.
  • In der Romandie zum Beispiel fiel die Reaktion verhaltener aus, als in der Deutschschweiz.
  • Ein Vergleich zeigt: Das dürfte auch mit der ungleichen Betroffenheit zu tun haben.
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Als der Bundesrat letzte Woche die Lockerungen der Corona-Massnahmen bekannt gab, war die Freude in der Deutschschweiz gross. In der Romandie hingegen, fielen die Reaktionen verhaltener aus.

Wie der «SonntagsBlick» errechnet hat, könnte ein Grund für die differierenden Haltungen, die unterschiedliche Betroffenheit sein.

Romandie und Tessin mit höheren Sterberaten

In den mehrheitlich französischsprachigen Kantonen Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Waadt und Wallis leben rund 2,2 Millionen Menschen. Das sind 26 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Laut dem Bundesamt für Gesundheit verzeichnen diese Kantone jedoch 547 der insgesamt 1109 Corona-Toten in der Schweiz. Also 49 Prozent (Zahlen vom Samstag).

Die Deutschschweizer Kantone mit rund sechs Millionen Einwohner haben bis Samstagnachmittag lediglich 373 Covid-19-Opfer (34 Prozent) gemeldet. Und in dem Vergleich am stärksten betroffen ist bekanntlich das Tessin: Bei 350'000 Einwohnern hat der italienischsprachige Teil der Schweiz 189 Tote zu beklagen (17 Prozent).

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Eine Polizeipatrouille während einer Informationskampagne, um den Aufenthalt von Touristen im Tessin zu unterbinden. - Keystone

Pro Kopf bedeutet das: In der Westschweiz starben pro 100'000 Einwohner bisher 24,7 Menschen an Covid-19 und im Tessin gar 53,5. In der Deutschschweiz beträgt die Quote hingegen «lediglich» 6,2 – und ist auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland und Österreich.

Romandie mit regem Grenzverkehr

Olivia Keiser von der Universität Genf sieht dabei vor allem den Zeitfaktor für die Unterschiede verantwortlich. «Im Tessin und in der Romandie hat die Epidemie früher begonnen. Die Deutschschweiz hatte somit einen zeitlichen Vorsprung», erklärt die Epidemiologin dem Blatt.

In der Deutschschweiz habe man mit den getroffenen Massnahmen grössere Schäden verhindern können, sagt Keiser weiter. Das Tessin ist dabei stark durch seine Nähe zur Lombardei betroffen. Zudem ist die Bevölkerung im südlichsten Teil der Schweiz älter als im Rest des Landes.

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Die Romandie und das Tessin sind von der Corona-Krise heftiger getroffen worden als die Deutschschweiz. - Keystone

Die Gründe für die hohen Zahlen in der Westschweiz sind jedoch nicht so klar. Jacques-André Romand, Genfer Kantonsarzt, macht einen Erklärungsversuch: «Viele Genfer haben italienische Wurzeln und pflegen intensiven Kontakt mit Norditalien.»

Laut Romand dürften zudem Genfs Internationalität sowie der rege Grenzverkehr nach Frankreich ebenso ins Gewicht fallen.

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