Coronavirus: Wie aussagekräftig ist eine Studie mit 70 Probanden?
Auch Studien mit sehr wenig Probanden können eine grosse Aussagekraft haben. Doch rund um das Coronavirus gibt es viele zu kleine Studien, ergab eine Studie.
Das Wichtigste in Kürze
- Studien mit einer kleinen Anzahl Probanden können auch aussagekräftig sein.
- Auch andere Faktoren wie die Patientenauswahl und das Umfeld der Studie sind entscheidend.
- Die Studien zum Coronavirus sind vergleichsweise klein, was zu Ineffizienz führt.
Die Ergebnisse einer Studie zur Bekämpfung des Coronavirus machen ein Asthmaspray zum neuen Hoffnungsträger. SPD-Politiker und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach zeigt sich begeistert ob des neuen «Game Changer».
Er geht sogar noch weiter und gibt quasi eine Empfehlung zum breiten Einsatz zur Behandlung von Covid-19: «Ich kenne einige Ärzte, die bereits diese Strategie verfolgen. Ich würde dies als Hausarzt auf Grundlage der vorliegenden Daten, ohne Kontraindikation, auch tun», schreibt der Mediziner auf Twitter.
Nur 70 Personen wurden in der Studie mit Budesonid behandelt
Diese Aussage von Karl Lauterbach lässt aufhorchen. Denn die in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlichten Ergebnisse stammen aus einer Phase II Studie. Diese dient üblicherweise zur Erprobung der Wirksamkeit eines Medikaments. Dies geschieht allerdings im kleinen Rahmen.
In diesem Fall nahmen lediglich 146 Personen an der Studie teil. Nur rund die Hälfte – 70 Personen – inhalierten dann effektiv den Wirkstoff Budesonid. Der Rest wurde der Kontrollgruppe zugeteilt.
Um die Behandlungserfolge zu belegen, wird eine Phase-III-Studie folgen müssen. Bei einer solchen werden Medikamente an einer viel grösseren Anzahl Menschen getestet.
Die meisten Studien zum Coronavirus sind sehr klein
Für die Interpretation sei jedoch weniger die Einteilung als «Phase II» relevant. Andere Faktoren, etwa die Studiengrösse, die Art der Patientenauswahl oder das Umfeld der Studiendurchführung seien entscheidend, erklärt Lars Hemkens. Er ist stellvertretender Direktor am Basler Institut für Klinische Epidemiologie und Biostatistik.
Auch eine Studie mit sehr wenig Probanden kann durchaus gehaltvoll sein. Die Aussagekraft einer Studie sei nicht fix einer bestimmten Anzahl Personen zugeordnet, so Hemkens. «Die notwendige Grösse einer klinischen Studie wird berechnet. Je grösser die erwartete Wirkung einer Massnahme, desto kleiner kann eine Studie sein, um diese Wirkung zu erkennen.»
Im Bereich des Coronavirus bewege sich die Grösse der Budesonid-Studie zwar im durchschnittlichen Bereich. «Sie ist aber in der Tat vergleichsweise klein, da die meisten Covid-19-Studien zu Therapien recht klein sind.»
Generelles Problem Covid-Studien: Sehr klein und unkoordiniert
Dieses Problem hat ein Team von Forschenden rund um Hemkens bereits im letzten Jahr erkannt. Sie haben die Anzahl der klinischen Studien zum Coronavirus genauer untersucht. Der Umfang und die Geschwindigkeit des Zeitplans für diese Studien sei zwar beispiellos, so das Fazit.
In den ersten 100 Tagen nach dem ersten Corona-Fall wurden bereits 683 registrierte Studien identifiziert. Daran sollten insgesamt fast 400'000 Menschen teilnehmen.
Zum Vergleich: 100 Tage nach dem ersten Ebola-Fall wurde keine einzige Studie registriert. Zur Erforschung von HIV und Aids werden pro Jahr zwischen 250 und 342 Studien angemeldet.
Doch die meisten Studien zu Covid-19 waren klein und untersuchten nur einen kleinen Teil der Behandlungsmöglichkeiten. So waren bei 40 Prozent der Untersuchungen weniger als 100 Probanden vorgesehen. Der Medianwert lag nur leicht darüber bei 118 Teilnehmenden pro Studie.
Diese enorme Zahl an kleinen Untersuchungen sei jedoch ineffizient. «Die Durchführbarkeit dieser Forschungsagenda ist fraglich.» Viele Studien könnten vergeblich sein, wodurch Forschungsressourcen verschwendet würden. «Um auf globale Gesundheitsbedrohungen zu reagieren, ist eine viel bessere Koordination erforderlich.»