Darum findet Mira* (21) nach Lehre trotz Fachkräftemangel keinen Job
Fast überall in der Schweiz herrscht Fachkräftemangel – dennoch haben einige Lehrabgänger mit dem Berufseinstieg zu kämpfen. Eine Betroffene erzählt.
Das Wichtigste in Kürze
- In fast allen Branchen werden in der Schweiz Mitarbeiter gesucht.
- Dennoch findet eine junge Polygrafin mit frisch abgeschlossener Lehre keinen Job.
- Ein Grund: Die Gestaltungsbranche durchlebt derzeit einen starken Wandel.
Mira S.* ist Vorzeigeschülerin: Gute Noten, ein aufwändiges Portfolio und preisgekrönte Berufsmaturitätsabschlussarbeiten. Dennoch findet die 21-jährige Polygrafin aus dem Kanton Bern keinen Job – in einer Zeit des Fachkräftemangels.
«Ich suche seit Sommer eine Stelle. Weil es kaum Inserate gibt, bewerbe ich mich auch oft bei Firmen, die nichts ausschreiben», erzählt S.
«Ich habe um die 30 Bewerbungen verschickt. Von vielen habe ich nichts gehört, zum Bewerbungsgespräch wurde ich nur dreimal eingeladen.» Das Feedback der Firmen sei durchwegs positiv gewesen – doch für einen Job reichte es nie.
Reicht eine Lehre nicht mehr?
«Mein Problem ist wohl, dass es nicht viele Stellen gibt, die wirklich Polygrafie-Fähigkeiten erfordern.» In den meisten Fällen müsste sie sich noch viel Zusatzwissen aneignen. Bei einer Beratung im RAV habe ihr auch die Betreuerin gesagt, in der Branche könne es im Moment schwierig sein.
Die Lehre schloss S. 2020 ab. Danach verbrachte sie ein Zwischenjahr in der Westschweiz, um Französisch zu lernen, und absolvierte die Berufsmaturität. Als Zwischenlösung macht sie jetzt ein Praktikum bei einem Bekleidungsgeschäft im Bereich Grafik und Onlinehandel.
«Viele lassen sich umschulen»
Wie ihr ist es auch anderen Lehrabgängerinnen in der Gestaltungsbranche ergangen. Deborah Luder vom Design-Branchenverband Swiss Design Association kam 2016 aus der Lehre.
Sie erzählt: «Als ehemalige Polydesignerin 3D weiss ich, dass auch in diesem Beruf die Lehrstellenangebote drastisch zurückgegangen sind. Viele haben sich umschulen lassen, so wie ich auch.» Von ihrer Klasse mit zwölf Berufsschülern seien ihres Wissens nur noch vier im Beruf.
Dennoch scheinen die Situationen, die die Betroffenen schildern, in der Branche zu erstaunen. So zum Beispiel Roger Spindler von der Berufsschule für Gestaltung Bern. Er glaubt, «dass Lehrabgänger in gestalterischen Berufen keine Mühe haben, ins Berufsleben einzusteigen».
Immer weniger Vollzeitstellen
Auch Beat Kneubühler vom Polygrafen-Branchenverband Viscom betont, dass auch im grafischen Bereich ein Fachkräftemangel herrsche. Denn es würden weniger Junge ausgebildet, die Babyboomer-Generation wird pensioniert.
Das Problem ist also wohl ein anderes: Die Branche wandelt sich schnell. «Der technologische Fortschritt wird den Strukturwandel in der grafischen Industrie weiter verstärken», so Kneubühler.
Für junge Fachkräfte wie Mira S. kann das also unter Umständen heissen, dass sie schnell nicht die exakten Fähigkeiten haben, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden.
*Name geändert