Darum schlagen viele Eltern in der Erziehung immer noch zu

Nicola Wittwer
Nicola Wittwer

Bern,

In der Erziehung wird hierzulande nicht selten Gewalt angewendet. Eine Expertin erklärt, wie es dazu kommen kann.

Gewalt Kinde Eltern
In der Erziehung kommt physische oder psychische Gewalt vonseiten der Eltern in der Schweiz immer noch vor. (Symbolbild) - pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz wird jedes zehnte Kind geohrfeigt – viele erleben andere Formen von Gewalt.
  • Dies meist wegen Kontrollverlusten der Eltern.
  • Gewalt in der Erziehung sehen nur die wenigsten als normal an.

Eine Studie der Universität Freiburg macht deutlich, dass in der Schweiz nach wie vor viele Kinder elterliche Gewalt erleben. Jedes zehnte Kind wird mit Ohrfeigen bestraft – insgesamt sind das 160'000 Buben und Mädchen.

Um die 32'000 Kinder werden sogar mit Gegenständen, zum Beispiel einem Gürtel, angegangen. Rund 48'000 werden zur Strafe kalt abgeduscht, 300'000 erhalten Schläge auf den Hintern.

Psychischer Gewalt sind ebenfalls viele Kinder und Jugendliche ausgesetzt. Sie werden von den Eltern beschimpft, gedemütigt oder für längere Zeit im Zimmer eingesperrt.

Haben Sie als Kind von Ihren Eltern physische oder psychische Gewalt erlebt?

Die Studie in Auftrag gegeben hat Kinderschutz Schweiz. Die Stiftung warnt: Gewalt kann körperliche Schädigungen, kognitive oder emotionale Beeinträchtigungen, sowie psychische Schäden wie Depressionen, Suizidgedanken, Alkoholismus oder Drogensucht zur Folge haben.

Gegenüber Nau.ch erklärt Regula Bernhard Hug von Kinderschutz Schweiz, was hinter der Gewalt steckt.

Eltern verlieren die Kontrolle

«Die Gewalt wird meistens nicht gezielt angewendet», sagt die Leiterin der Geschäftsstelle. Ein grosser Teil der gewaltbetroffenen Kinder sei unter sechs Jahre alt.

Der Elternteil stehe in den bestimmten Situationen «unter Druck» und verliere die Kontrolle. Dabei greife er «auf Muster aus der Vergangenheit, aus der eigenen Kindheit zurück», so Bernhard auf Anfrage.

Ursachen für einen solchen Druck, der bis zum Kontrollverlust führt, gibt es einige. Stress, mehrere Kinder im Haus oder ein Jobverlust können dazu führen, dass der Elternteil plötzlich nicht mehr denkt und zuschlägt.

Kinderschutz Schweiz
Die Stiftung Kinderschutz Schweiz will Kinder vor elterlicher Gewalt schützen. (Symbolbild) - Kinderschutz Schweiz

Regelmässig wenden nur rund sechs Prozent der befragten Eltern Gewalt an. Sie haben diese in der Kindheit und Jugend ebenfalls erlebt und erachten sie als normal. «Diese Eltern wollen oft disziplinierte Kinder. Sie denken, Disziplin gibt es nur mit physischen und psychischen Erziehungsmassnahmen», hält Bernhard fest.

Eine weitere Ursache für Gewalt an Kindern kann das Umfeld der Familie darstellen. Je nach religiösem oder kulturellem Kreis gehöre Gewalt noch eher zur Erziehung dazu.

Erhalten Kinder Recht auf gewaltlose Erziehung?

Die Gewalt an Kindern soll nun auf gesetzlichem Weg verhindert werden. Am Dienstag diskutierte die Fachwelt über einen Lösungsvorschlag des Bundesrats im Vernehmlassungsverfahren. Im Anschluss an die Tagung wird die koordinierte Vernehmlassungsantwort eingereicht.

Ein Gesetz, das Kindern ein Recht auf gewaltlose Erziehung gibt, wird laut Studie von sehr vielen Eltern als sinnvoll erachtet. Fast alle geben an, dass das Gesetz helfen und als Unterstützung angesehen würde. «Es ist für die Prävention wichtig und hätte eine grosse Signalwirkung», ergänzt Hug.

Regula Bernhard Hug
Regula Bernhard Hug ist Leiterin der Geschäftsstelle bei der Stiftung Kinderschutz Schweiz. - Kinderschutz Schweiz

Unterstützung geben soll es auch von den Kantonen. Diese könnten ein Hilfs- und Beratungsangebot anbieten, damit die Eltern «nicht alleine gelassen werden». Denn das Elternsein sei für alle Betroffenen eine Herausforderung, so Hug. «Unterstützung ist wichtig – es soll eine Alternative zur Gewalt gezeigt werden.»

Mit dem entsprechenden Gesetz sind nicht alle einverstanden. Bei Gegnern aus der SVP sprach man etwa von einem «Ohrfeigenverbot», das zu einer «Hippie-Erziehung» führe.

Kommentare

User #3125 (nicht angemeldet)

Ins Gesicht und/oder wiederholt schlagen ist für mich ein absolutes No Go. Ich zog zwei Kinder gross, das eine war völlig ausgeglichen, das andere das Gegenteil. Ich kann mich sehr gut erinnern, dem ständig die Grenzen auslotenden Kind in einer sich ausufernden Situation die Grenze mit einem kräftigen Handschlag auf die Pobacke aufgezeigt zu haben. Und das wirkte Wunder, vor allem längerfristig. Noch heute haben wir ein ausgezeichnetes Verhältnis.

User #1391 (nicht angemeldet)

Ich brauch eine Beratung um zu wissen in welche Beratung ich gehen kann. Vielleicht bald ein neuer Geschäftszweig. Berater für Beratungen 🤔

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