Das steckt hinter den Eritrea-Ausschreitungen in der Schweiz
Die Polizei verhindert Zusammenstösse zwischen Eritreern in Gerlafingen SO. Der Vorfall verdeutlicht Spannungen innerhalb der Gemeinschaft in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- In Gerlafingen SO rückte die Polizei wegen Eritreern mit einem Grossaufgebot aus.
- Die Beamten verhinderten ein Aufeinandertreffen von gegnerischen eritreischen Gruppen.
- Der Konflikt geht auf den eritreischen Unabhängigkeitskrieg zurück.
Es sind unschöne Szenen, die sich am Wochenende in Gerlafingen SO abgespielt haben. Die Polizei verhinderte am Sonntagabend ein Aufeinandertreffen zwischen gegnerischen eritreischen Gruppen. Zum Einsatz kamen auch ein Wasserwerfer und Tränengas, rund 60 Polizistinnen und Polizisten standen im Einsatz.
Das Ereignis ist kein Einzelfall.
Im vergangenen Jahr gab es immer wieder ähnliche Ausschreitungen an sogenannten «Eritrea-Festivals». So kam es unter anderem im Glattpark in Opfikon ZH zu einer Schlägerei. In Rüfenacht bei Bern musste eine Kundgebung wegen Sicherheitsbedenken abgesagt werden.
Doch was steckt dahinter? Nau.ch beantwortet die wichtigsten Fragen zum Konflikt.
Warum unterstützen manche Eritreerinnen und Eritreer das eritreische Regime?
2023 waren eritreische Flüchtlinge laut SEM mit 2190 registrierten Asylgesuchen die dritthäufigsten Gesuchsstellenden. Die Hauptursache für die Flucht ist in den meisten Fällen politische Verfolgung.
Das eritreische Regime ist dafür bekannt, Menschen unter Zwang zum Militärdienst einzuziehen, wo ihnen Menschenrechtsverletzungen drohen.
Seit 1993 ist Diktator Isayas Afewerki in Eritrea an der Macht. Seitdem hat es keine Wahlen gegeben – und es sind auch keine geplant.
Es sind kaum diejenigen Eritreerinnen und Eritreer, die vor der Diktatur flohen, die nun für das Regime protestieren. Sondern vielmehr handelt es sich um jene, die während des eritreischen Unabhängigkeitskriegs (1961 bis 1991) geflohen sind.
Hintergrund: Die derzeitige Regierung ging aus der Eritreischen Volksbefreiungsfront hervor, die im Krieg gegen den Besatzer Äthiopien kämpfte.
Dies erklärt die Sympathien für das Regime, da diejenigen, die damals geflohen sind, nie unter dieser Diktatur gelebt haben. Diese Sympathien werden oft auch an die Kinder weitergegeben, heisst es beim Eritreischen Medienbund.
Warum kommt es zu Auseinandersetzungen mit regimekritischen Eritreerinnen und Eritreern?
Regimekritische Eritreerinnen und Eritreer wollen die Bühne nicht den Regimetreuen überlassen.
Zu einem früheren Vorfall erklärte der Eritreische Medienbund in einem Statement: «Für diese ist es schwierig mitanzusehen, wie die Regierung, vor der so viele flüchten mussten, in der Schweiz Propaganda macht.»
Welche Rolle spielt Propaganda im Konflikt?
Eine grosse. Wie CH Media im Dezember berichtete, kursiert in den sozialen Medien ein Schreiben des eritreischen Verteidigungsministeriums. Darin wird aufgefordert, die «Ehre Eritreas» zu verteidigen. Auf Tiktok-Accounts wird das Schreiben weiterverbreitet – mit der Aufforderung, nötigenfalls auch mit Gewalt gegen Regimegegnerinnen und -gegner vorzugehen.
Die Botschaft in Genf dementierte damals entsprechende Aufrufe.
Können regimetreue Eritreerinnen und Eritreer ausgeschafft werden?
Momentan nicht. Zwischen der Schweiz und Eritrea gibt es nämlich kein Rückführungsabkommen. Heisst: Eritreerinnen und Eritreer können nicht gegen ihren Willen ausgeschafft werden.
Dazu kommt: Viele Regimetreue leben seit Jahrzehnten in der Schweiz. Deshalb verfügen sie über unbefristete Aufenthaltsbewilligung C oder sogar den Schweizer Pass. Damit wird eine Diskussion über eine Ausschaffung hinfällig.
Wie reagiert die Politik?
Anlässlich einer Medienkonferenz sagte Bundesrat Beat Jans am Dienstag: «Ich möchte die eritreische Gemeinde auffordern, damit aufzuhören, ihre Kämpfe hier auszutragen. Das akzeptieren wir nicht!»
Jans verwies gleichzeitig daraufhin, dass nur ein kleiner Bruchteil der eritreischen Community gewalttätig sei.
Im vergangenen Jahr forderte die SVP-Asylpolitikerin Martina Bircher bei Nau.ch, dass die Schweiz mehr Druck auf Eritrea ausübe, um Rückführungen zu ermöglichen. Beispielsweise durch Streichung von Sozialhilfegeldern für Eritreerinnen und Eritreer sowie Entwicklungshilfe.