Demo-Ausschreitungen: Kurden nehmen Linksautonome in Schutz
Gemäss der Polizei und dem NDB missbrauchen linksextreme Trittbrettfahrer die friedlichen Kurden-Demos für ihre Zwecke. Die Kurden wehren sich jetzt unerwartet.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss der Polizei und dem NDB missbrauchen Links-Autonome die Kurden-Demos für Krawall.
- Eine Organisatorin der Kurden-Demonstrationen nimmt die Autonomen jetzt in Schutz.
- Man könne die Schuld für die Gewalt nicht einfach den Autonomen in die Schuhe schieben.
Am Sonntag stürmten Anhänger der kurdischen Arbeiterpartei PKK eine politische Veranstaltung der türkischen Volkspartei CHP in Grenchen SO. Die Kurden besetzten die Bühne, auf welcher die Vorsitzende Canan Kaftancioglu hätte sprechen sollen. Die Kantonspolizei konnte die Situation entschärfen. Verletzt oder angezeigt wurde niemand.
Auch in den Schweizer Städten ist der türkische Konflikt unübersehbar. In Basel oder Bern demonstrieren regelmässig tausende Kurden gegen die Politik von Präsident Erdogan.
Seit dem Einmarsch der türkischen Armee in Syrien wurden die Proteste noch einmal intensiver.
Linksextreme Trittbrettfahrer
Obwohl die Kurden als absolute Demonstrations-Profis gelten und ihre Aktionen meist friedlich verlaufen, ist der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) besorgt. Eigentlich nicht wegen den Kurden selber, sondern weil sich gewaltbereite, links-autonome Gruppierungen mit ihnen solidarisieren.
«Die Selbstverwaltungsgebiete der Kurden auf syrischem Boden sind für viele Linksautonome die Realisierung ihrer politischen Vorstellungen», heisst es im NDB-Lagebericht.
NDB-Chef Gaudin sagte im Frühling gar, es würden Verbindungen der PKK zur linksextremen Szene in der Schweiz bestehen. Von dieser gehe ein Gewaltpotenzial aus.
Dieses manifestierte sich beispielsweise Mitte Oktober an einer Kurdendemo in Bern. Vor der türkischen Botschaft angekommen, begannen plötzlich Zaunlatten und Steine gegen die Polizei zu fliegen. Die Veranstalter brachen ihre Kundgebung daraufhin ab.
Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause sprach daraufhin von Kapazitätslimiten bei der Polizei. Auch würden die Linksautonomen den «berechtigten Anliegen der kurdischen Bevölkerung» schaden.
Kurden nehmen Autonome in Schutz
Interessanterweise widersprechen die Kurden selber dieser Darstellung. «Man kann die Schuld an den Ausschreitungen sicher nicht einfach nur den Autonomen geben», sagt Demo-Organisatorin Sema Duruk.
«Ausschreitungen passieren auch, weil Demonstranten manchmal auf provokante Erdogan-Anhänger treffen. Emotion spielt eine grosse Rolle.»
Sie geht gar weiter: «Die Autonomen sind fast als einzige solidarisch mit der Bewegung in Rojava und den Strukturen, die wir vertreten. Wir brauchen die Solidarität. Wir begrüssen aber keine Beschädigungen. Wir wollen eine Sensibilität für den Krieg.»
Die beiden Gruppierungen verbinde vor allem die Sache. Eine Koordination bei den Demonstrationen gebe es aber nicht. Meist würden die Linksautonomen über Flyer oder Social Media-Aufrufe von den geplanten Aktionen erfahren und seien dann oft sogar schon vor den Kurden beim Sammelpunkt.
Kommt es während Aktionen zu Ausschreitungen, versuchen die Organisatoren mit dem eigenen Sicherheitsdienst einzugreifen. «Wir haben schon viele Komplimente für die Demo-Organisation von der Polizei bekommen. Für unsere Sicherheit schauen wir mehrheitlich selbst», so Duruk.
«Wenn junge Menschen emotional antworten ist das durch den Krieg zu verstehen.»