Eclépens VD: Klimaaktivisten spielen mit Polizei Katz und Maus
Seit Oktober besetzten Klimaaktivisten den Hügel Mormont bei Eclépens VD. Am Dienstagmorgen startete die Polizei mit einem Grossaufgebot die Räumungsaktion.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Oktober 2020 besetzten Aktivistinnen und Aktivisten den Hügel Mormont im Kanton Waadt.
- Sie wollen das Ökosystem dort vor dem Zementkonzern Holcim schützen.
- Am Dienstag früh startete die Polizei die Räumungsaktion – mit Grossaufgebot.
- Am späten Dienstagabend befanden sich noch 4 Klimaaktivisten auf Bäumen auf dem Gelände.
Die Räumung der ZAD (Zone A Defendre) auf dem Hügel Mormont bei Eclépens VD und La Sarraz VD neigt sich dem Ende zu. Die Polizei rückte am Dienstagmorgen aus, um die Umweltaktivisten zu vertreiben, die den Hügel seit Oktober besetzt halten.
Noch immer dauert die Räumung an. Wie die Kantonspolizei Waadt am Abend schreibt, sei die Räumung seit 8.10 Uhr im Gange.
Die Situation habe sich wegen aggressiven Verhaltens der Anwesenden verschlechtert, sie hätten Steine gegen Polizisten geworfen und Pyrotechnik benutzt. Ein Polizist sei leicht verletzt worden.
Kurz nach 20 Uhr war der Einsatz im Hof und auf dem Dach beendet. Alle gebauten Hütten und Infrastrukturen sind abgerissen worden. Um 21.15 Uhr sassen immer noch 4 Personen an unzugänglichen Stellen in den Bäumen.
Zu ihrer Sicherheit und der der Arbeiter hat die Polizei beschlossen, sie in der Nacht nicht zu vertreiben. Polizeibeamte bleiben die ganze Nacht vor Ort, um die Überwachung zu gewährleisten.
62 Personen angehalten und identifiziert
Im Zug der Räumung hat die Polizei bisher 62 Personen angehalten und ihre Identität abgeklärt. Zwölf von ihnen wurden in Gewahrsam genommen. 13 weitere sind in Freiheit, werden aber angezeigt.
Vier der Angehaltenen wurden ohne weitere Massnahme auf freien Fuss gesetzt, wie die Waadtländer Kantonspolizei am Dienstagabend mitteilte. Hauptsächlich werden den Angehaltenen Hausfriedensbruch und Ungehorsam gegen eine Verfügung der Justizbehörden vorgeworfen.
Nun bleibe noch die Räumung des Bauernhofs, diese ist gemäss Polizei «kompliziert».
Die Polizei hat ihre liebe Mühe alle Aktivisten einzufangen. Einige Demonstranten hielten, an einem Hochseil angebunden, tapfer dagegen und spielten ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden. Auch halfen teilweise Motorsägen nichts, beim Versuch verriegelte Türen aufzubrechen.
Die Beamten machen sich gegen 15 Uhr mit Motorsägen daran, sich Zugang zu den Häusern der ZDA zu schaffen. Die Demonstranten, die sich zum Teil auch auf den Dächern befinden, werden nacheinander vom Gelände abgeführt.
Polizei setzt Gummischrot ein
Nach dem Mittag hat die Polizei das Camp erreicht, wenn auch mit Gewalt. Die Beamten setzten Gummischrot ein, um das besetze Camp zu erreichen. Die Aktivisten haben sich vorerst zurückgezogen. Nun beginnen die Behörden mit Abbauarbeiten der aufgestellten Barrikaden und Baumhäuser.
Während die Polizei immer weiter ins Lager eindringt, treffen sich unweit der Besetzer der Chemie-Nobelpreisträger Jacques Dubochet mit dem Direktor von Holcim und der Grünen Staatsrätin Béatrice Métraux. Professor Dubochet zeigte sich am Vormittag vor Ort und sprach sich für eine gewaltfreie Räumung aus.
Nach dem Mittag zog die Polizei eine erste Zwischenbilanz: Die Aktivisten setzen Steine und Pyrotechnik gegen die Beamten ein. Zudem machen viele Hindernisse wie Baumstämme und Stahlstangen der Polizei zu schaffen.
Auf die Frage, ob Holcim bisher mit dem Polizeieinsatz zufrieden sei, sagte Mediensprecherin Christine Moser: «Wir kommentieren den laufenden Polizeieinsatz nicht.»
Polizei trägt Aktivisten weg
Kurz nach 6 Uhr traf die Polizei mit einem grossen Aufgebot ein. An den Dorfeingängen zu Eclépens VD und La Sarraz VD wurden Barrikaden, Umleitungen und Durchsuchungsstellen eingerichtet. So sollte der Ortszugang begrenzt werden.
Es handelt sich um einen der grössten Polizeieinsätze des Jahrzehnts in der Schweiz, heisst es in einer Mitteilung der Aktivisten. Gegen 9 Uhr begann die Polizei, die ersten Aktivisten und Aktivistinnen, die sich weigern, das Gelände zu verlassen, wegzutragen. Die Besetzer und Besetzerinnen haben sich derweil in der ZAD verbarrikadiert.
Die Polizei hat sich, um die Barrikade zu überwinden, Verstärkung geholt. Gegen 10 Uhr schreiten die Beamten samt Räumungsfahrzeug und Wasserwerfer Richtung ZAD. Sie fordern die Aktivisten per Lautsprecher auf, das Gelände zu verlassen.
Gegen 11 Uhr schreitet die Räumungsaktion weiter voran. Die Polizisten haben sich der ZAD bis auf etwa 100 Meter genähert. Dies lässt auch die Aktivsten nicht kalt, welche sich nun an der Barrikade positioniert haben und Rauchpetarden zünden.
Polizisten nähern sich der ZAD
Kurz vor 12 Uhr machen sich die Polizisten weiter daran, die Barrikade zu überwinden und zur ZAD durchzustossen. Die Aktivsten haben Heuballen angezündet, um es den Beamten so schwer wie möglich zu machen.
Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen das Ökosystem dort vor der Zerstörung durch den Zementkonzern Holcim schützen. Holcim betreibt am Mormont einen Steinbruch und will ihn ausweiten. Allerdings muss das Unternehmen dafür zuerst einen Bundesgerichtsentscheid abwarten.
«Ich besetze den Mormont, weil ich nicht weiter zusehen möchte, wie LafargeHolcim Biodiversität zerstört, Unmengen an CO2 ausstösst und in verschiedenen Ländern Menschenrechtsverletzungen begeht», meint Lara, die momentan Teil der Besetzung ist.
Berufung ohne Erfolg
Holcim baut seit 1953 am Mormont Stein ab und betreibt vor Ort eine Zementfabrik. Im vergangenen Juli hatten Nichtregierungsorganisationen beim Bundesgericht Einspruch gegen die Ausbaupläne des Zementkonzerns eingereicht. Der Kanton hiess den Ausbau bereits gut.
Sowohl Holcim als auch die Gemeinde La Sarraz leiteten rechtliche Schritte ein, um die Aktivistinnen und Aktivisten zu vertreiben. Diese versuchten, in Berufung zu gehen – jedoch ohne Erfolg, was den Weg für ihre Räumung am 30. März ebnete.
Deshalb hatten die Aktivistinnen und Aktivisten in den vergangenen Tagen aufgerufen, dass sich ihnen so viele Menschen wie möglich anschliessen. Sie errichteten ausserdem Barrikaden und Baumhütten und hängten Hängematten in den Bäumen auf. Dies, um der Polizei die Arbeit zu erschweren.
Holcim sagte auf Anfrage von Nau.ch: «Wir nehmen die Anliegen der Aktivisten sehr ernst. Ihre Sorgen um die Zukunft unseres Planeten sind berechtigt. Als Zement- und Betonproduzentin stellt sich Holcim den aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel und Ressourcenknappheit.», so Mediensprecherin Christine Moser.
Die Besetzung auf dem Mormont erwecke den Eindruck, dass Holcim ihre Verantwortung nicht wahrnimmt. «Dagegen wehren wir uns. Holcim erfüllt bei all ihren Tätigkeiten – auch im Zusammenhang mit dem Materialabbau am Mormont – sämtliche behördlichen Auflagen und wir arbeiten eng mit der Bevölkerung, Behörden und NGOs zusammen.»
Breite Unterstützung
Die Unterstützung für die Aktivisten hatte sich in den letzten Tagen vervielfacht. So demonstrierten am Freitag in Lausanne mehr als 1000 Personen für das Anliegen.
Auch die Politik hat sich mobilisiert: Im Grossen Rat wurde eine Motion eingereicht. Zudem wurde ein offener Brief, der von fast 130 Mandatsträgern unterzeichnet wurde, an die Waadtländer Regierung geschickt.