Am Weltfrauentag kommt Sexismus in Heftform - eine Posse
Am Weltfrauentag fahren die Frauen erst recht ihre Ellenbogen aus. Überall? Nein, in einem dünnen Heftchen für die «moderne Hausfrau» ist alles noch wie früher.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Werbeprospekt spricht seine Kunden an, wie Hausfrauen vor 50 Jahren.
- Geworben wird mit sauberen Backöfen und Bügeleisen.
- Männer kommen dann zum Zuge, wenn es ums Autofahren oder um Hemden geht.
Wir schreiben das Jahr 1969, da flattert der modernen Hausfrau ein Prospektchen ins Haus. Es verspricht «Geniales. Garantiert günstig».
Auf 38 dünnen Seiten wird unverzichtbare Haushaltsware ins rechte Licht gerückt. Eine Fülle an Alltags-Helferchen soll das Leben ein jeder Hausfrau erleichtern.
Coole Typen und heisse Eisen
«Ist dein Backofen immer so sauber», wird die Hausfrau im vertraulichen Du gefragt. Falls nicht, empfehlen sich praktische Reinigungstücher mit Zitronenduft.
Weil man ja nicht von vorgestern ist, verspricht das Heftchen nichts weniger als «die grosse Wende in der Küche». Eingeleitet durch einen «riesigen, hochwertigen Pfannenwender».
Nicht nur beim Omeletten braten, darf die Hausfrau auf Innovationen zählen. Auch die Pflege für ihr «heisses Eisen» ist revolutionär. Das «Bügeleisen-Zauber»-Tüchlein bringt die Bügelfläche zum Glänzen. Auf dass seine Hemden bald wieder faltenfrei bereit liegen.
Falls der Herr des Hauses aber fremd waschen lässt, erleichtern aufbügelbare Namens-Etiketten das Zuordnen.
Männer finden sich aber mitnichten nur auf den praktischen Etiketten. Sie sind als Tee-Ei in Form eines «coolen Typen» gar zu erwerben.
Auch für die Nachtfahrbrille «Spezial», die das Licht des Gegenverkehrs dämpft, wird mit einem konzentrierten Männergesicht geworben. Das versteht sich von selbst. Wissen wir doch alle: Frau am Steuer – Ungeheuer.
Passt das zum Weltfrauentag?
Rassig darf es bei einer modernen Hausfrau dann aber doch ab und an zugehen. Zum Beispiel mit dem schwarz-glänzenden Wecker in Töff-Form. «So gibt man schon am Morgen Gas!».
Damit sie vor lauter Gas-Geben nicht durcheinander kommt, präsentiert das Krämer-Heftchen auch zahlreiche Ordnungs-Hilfen. Eine davon: Kabel-Markierer. So muss sie sich nicht mehr ständig fragen: «Welches Kabel gehört zu welchem Gerät?».
Das Heftchen schwärmt: «Einfach ums Kabel legen und markieren, schon verbessert sich ihre «Anschluss-Leistung»!»
Doch, Moment. Liegt da im «praktischen TV-Organisator» etwa ein Smartphone? Ja, stammt das lustige Heftchen etwa gar nicht von anno dazumal?
Leider nicht. Die Ausgabe 687 der «Modernen Hausfrau» flatterte pünktlich zum Weltfrauentag 2019 ins Haus. Zum Bestell-Katalog gehört auch eine Internetseite, die weitere Gadgets für den Haushalt feilbietet. Das Heftchen hat zudem nicht nur Satire-Potential, sondern auch Tradition: Es wird im deutschsprachigen Raum seit 1967 in die Briefkästen gelegt. Sehr wahrscheinlich bis heute mehr oder weniger unverändert.
Ob 50 weitere Jahre in Sachen patriarchaler Stereotypen und Gleichberechtigung wohl eine grössere Wende bringen, als der «riesige, hochwertige Pfannenwender»?