Digitales Trinkgeld wird zum Problem
In immer mehr Restaurants wird digital gezahlt. Damit muss das Trinkgeld versteuert werden – und die Angestellten haben weniger reellen Lohn.
Das Wichtigste in Kürze
- In Restaurants wird zunehmend digital gezahlt.
- Damit erscheint etwaiges Trinkgeld auf dem Buchungszettel.
- Das Steuergesetz schreibt vor, dass es als zusätzliche Einnahme versteuert werden muss.
Wir verbringen einen schönen Abend im Restaurant. Wir werden bedient, die Angestellten trotzen dem Stress und sorgen bei uns für Wohlfühl-Ambiente. Am Ende wertschätzen wir die Arbeit anderer mit einer Aufrundung des Gesamtbetrags – dem Trinkgeld.
Jeder ist sich bewusst, dass der kleine Bonus in die direkte Tasche fliesst, anstatt in den Steuerbescheid. Doch die wenigsten haben dabei wirklich vor Augen, dass es sich um Schwarzgeld handelt. Tatsächlich werden von behördlicher Seite keine Fragen zu der gängigen Praxis gestellt, wie die «NZZ» berichtet. Für die meisten Gastronomiemitglieder ist Trinkgeld sogar die reell notwendige Gehalts-Aufstockung.
FWG hat Bargeldzahlung abgeschafft
Doch wie sieht es aus, wenn kaum noch in bar bezahlt wird, sondern zunehmend digital? Bei der «Familie Wiesner Gastronomie» (FWG) kristallisierte sich das nun heraus: Der 31 Restaurants umfassende Gastronomiebetrieb schaffte im vergangenen Jahr die Bargeldzahlungen ab.
Die Folge: Das digital überwiesene Trinkgeld wurde den Angestellten zusammen mit dem Lohn überwiesen. «Da haben wir angefangen, uns Gedanken über die Abrechnung zu machen», sagt Manuel Wiesner der Zeitung.
Hohes Trinkgeld gehört auf Lohnausweis
Laut Steuergesetz ist die damit erfolgende Dokumentation der Trinkgelder auch richtig und vorgeschrieben: Sobald sie einen «wesentlichen Teil des Lohns» ausmachen, gehören sie auf den Lohnausweis. Als «wesentlicher Teil» gelten allgemein zehn Prozent des eigenen Gesamteinkommens.
Ab einem jährlichen Trinkgeld von über zehn Prozent muss folglich der gesamte Betrag versteuert werden. Arbeitsrechts-Professor Thomas Geiser äussert: «Bisher wollten die Steuerbehörden keine Abrechnungen sehen, da die Trinkgelder nicht in der Buchhaltung erschienen. Ich bin aber der Meinung, dass sich das mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr bald ändern wird.»
Steueramt: «Nichtdeklaration wäre Steuerhinterziehung»
Von dem Steueramt Zürich heisst es: «Trinkgelder sind aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung steuerbares Einkommen. Eine Nichtdeklaration wäre rechtlich betrachtet eine Steuerhinterziehung.» Bisher werde das Thema «digitales Trinkgeld» jedoch «nicht speziell behandelt».
Wiesner führt die Boni nun auf den Lohnausweisen auf – denn sie lagen bei fast jedem Beschäftigten über zehn Prozent. Der sinkende Reallohn habe bei seinen Mitarbeitenden für Unmut gesorgt: «Viele hatten Angst, dass sie weniger verdienen würden», so Wiesner.
«Davor hat die ganze Branche Angst»
Er sieht allerdings auch die Vorteile des steigenden Gesamtlohns: Höhere Renten, bessere Versicherung bei Arbeitslosigkeit, Unfall oder Krankheit sowie eine höhere Kreditfähigkeit ergeben sich dadurch.
Andere Gastronomiebetriebe blicken der Digitalisierung mit Sorge entgegen. «Das würde den Beruf noch unattraktiver machen», meint ein Co-Restaurantbetreiber von 16 Lokalen in Zürich. Nur das Trinkgeld sei Anreiz, trotz unregelmässiger Arbeitszeiten, körperlicher Belastung und zuweilen herablassender Behandlung durch Gäste überhaupt ins Gewerbe einzusteigen. «Davor hat die ganze Branche Angst», meint der Geschäftspartner zu einem Wegfall des Anreizes.