Erste Schweizer Firmen fertigen KI-Klone von Chefs an
Die Avatare bei Zoom sehen bald täuschend echt aus. Auch erste Schweizer Unternehmen setzen bereits auf die Klon-Technologie. Das birgt mitunter auch Gefahren.
Das Wichtigste in Kürze
- KI-Klone könnten uns bald in Meetings vertreten.
- Grosse Unternehmen wie UBS, Roche und Tamedia nutzen bereits Avatare.
- Andere Unternehmen zögern ganz bewusst.
- Ein Experte sieht die KI-Avatare kritisch: Persönliche Interaktion sei essentiell.
Künftig soll man an digitalen Sitzungen nicht mehr selbst teilnehmen müssen, sondern seinen digitalen Zwilling schicken. Während wir entspannt am Strand liegen, übernimmt unser Avatar das Reden. So stellte es zumindest Eric Yuan, Chef des Videokonferenz-Giganten Zoom, diesen Sommer in Aussicht.
Und tatsächlich: Das Unternehmen macht einen Schritt in diese Richtung. Künftig kann man sich in Videos auf Zoom von lebensecht aussehenden Avataren vertreten lassen.
Schweizer Firmen nutzen Avatare bereits
Nur Zukunftsmusik? Keineswegs. Erste digitale Avatare kommen in Schweizer Unternehmen bereits zum Einsatz.
So nutzt etwa die UBS KI-Avatare in internen Schulungsvideos. Und auch der Basler Pharmagigant Roche erklärt auf Anfrage: «Wir nutzen diese Technologie, sowohl intern als auch extern.» Komplexe Informationen können so in Videoformaten zugänglich gemacht werden.
Roche-Sprecherin Lorena Corfas wird konkret: «Intern werden Avatare genutzt, um Schulungen oder informative Videos zu erstellen, vor allem von den Lern- und Entwicklungsorganisationen. Extern wird es in einigen Ländern genutzt, um informative und erklärende Videos für verschiedene Zielgruppen zu erstellen.»
Noch weiter ist das Zürcher Medienunternehmen Tamedia, das unter anderem den «Tages-Anzeiger» herausgibt. Hier unterstützt ein digitaler Avatar die CEO Jessica Peppel-Schulz bei ihrer Kommunikation mit den Mitarbeitenden.
Bei den regelmässigen Mitarbeiterinformationen mit Mitarbeitenden aus der Deutsch- und Westschweiz, den sogenannten «All-In-Meetings», baut die Künstliche Intelligenz Sprachhürden ab. Und auch die englischsprachigen Kolleginnen und Kollegen werden so abgeholt.
Avatar übersetzt CEO bei Mitarbeiterinformation
Ein Tamedia-Sprecher erklärt gegenüber Nau.ch: «Wir haben angefangen, KI für das ‹All In› zu nutzen und einen Avatar von der CEO erstellt.» Er betont die Mehrsprachigkeit im Unternehmen. «Der Avatar ermöglicht es, mit den Mitarbeitenden nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch und Französisch zu kommunizieren.»
So könne die CEO alle gleichzeitig in ihrer Muttersprache ansprechen und die Botschaft besser rüberbringen. Der Avatar sei damit eine ergänzende Möglichkeit zu den Synchronisationen bei den Live-Präsentationen der CEO.
«Visuell ist die KI vom Original kaum zu unterscheiden. Und dennoch sieht man, dass der Avatar noch nicht hundertprozentig lippensynchron ist.» Unterschiede seien hier nach wie vor zu erkennen – auch, was die Sprechgeschwindigkeit betreffe.
Er verweist darauf, dass die Übersetzungen ins Französische und Englische so besser zu kontrollieren sind. Zudem seien sie präziser und konsistenter und damit näher an der Originalpräsentation. Und auch sprachlich bewege sich die KI immer näher ans Original heran.
Der Übersetzungs-Avatar bei Tamedia diene als Ergänzung und sei immer gekennzeichnet, betont der Sprecher. Und: «Der Avatar wird niemals die CEO oder ihren persönlichen Auftritt gegenüber den Mitarbeitenden ersetzen.»
Selbst antworten tut die Künstliche Intelligenz bei Tamedia also nicht. Im Gegensatz zu den Plänen, die der Zoom-CEO hegt.
Zukunftsforscher Georges T. Roos sieht diese Pläne kritisch, wie er gegenüber Nau.ch erklärt. «Wenn eine generative KI mit einem spricht, statt einer echten Person, dann ist keine Kommunikation, sondern das Übermitteln einer Botschaft.»
Zukunftsforscher skeptisch gegenüber KI-Avataren
Für tatsächliche Kommunikation brauche es ein menschliches Vis-à-vis. «Gerade bei Meetings sei der menschliche Austausch entscheidend. Kurz: Mit einem KI-Avatar können wir uns das Meeting auch sparen», sagt Roos.
Es sei auf ein «Signal fehlender Wertschätzung», wenn eine Person per Avatar statt persönlich teilnimmt.
Die Chancen von digitalen Avataren sieht er dort, wo Informationen abgefragt werden und keine persönliche Interaktion notwendig ist. Etwa bei gesundheitlichen Ratschlägen. «Dann muss die KI aber auch nicht wie ein echter Mensch aussehen», so der Experte.
Arbeitnehmer stören sich nicht an KI-Stellvertretung
Der Arbeitnehmerverband «Angestellte Schweiz» steht digitalen Avataren grundsätzlich positiv gegenüber – und setzt selbst bereits darauf.
«Wir haben eben einen durch Künstliche Intelligenz unterstützten Chatbot inklusive Avatar lanciert. Dieser informiert über Arbeitsbedingungen in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie», sagt Sprecherin Manuela Donati.
Dennoch müsse die Technologie «kritisch hinterfragt werden» – besonders in Bezug auf Datenschutz und Missbrauchsgefahren. «Es braucht ein Bewusstsein dafür, welche Inhalte von einem echten Menschen kommen und welche von einem Avatar», sagt sie.
Donati fordert zudem klare Regelungen: «Unternehmen sollten in Awareness-Schulungen investieren, um Mitarbeitende für die Unterschiede zwischen menschlicher und Avatar-Kommunikation zu sensibilisieren.» Es brauche auch klare rechtlichen Vorgaben.
«Die rasante Entwicklung von KI bietet Chancen, birgt aber auch Missbrauchspotenzial, Datendiebstahl und emotionale Distanz.» Letzteres könnte den Teamspirit gefährden, warnt sie.
Arbeitnehmende wünschen sich persönliche Meetings
Auch die Gewerkschaft Syndicom weist auf die sozialen Herausforderungen hin: «Viele Arbeitnehmende vermissen den zwischenmenschlichen Kontakt – Avatare werden hier kaum Abhilfe schaffen», sagt Sprecher Dominik Fitze zu Nau.ch.
Einige Schweizer Unternehmen warten mit dem Einsatz deshalb ab. So setzt beispielsweise die Migros aktuell aus Kosten-Nutzen-Gründen noch nicht auf diese Technologie, beobachtet jedoch «aktiv» die Entwicklungen.
Salt sieht darin «interessante Möglichkeiten», betont aber, dass «Datenschutz und ethische Fragen sorgfältig geprüft werden müssen».
Coop zieht den persönlichen Austausch, sowohl in Meetings als auch in der Kundenberatung, vor. Und Sunrise sieht den Einsatz von Avataren kritisch, da «Meetings insbesondere dem persönlichen Austausch dienen».