ETH Zürich simuliert 120'000 Jahre Gletscherentwicklung
Die ETH Zürich haben eine Simulation der Gletscherentwicklung erstellt, die 120'000 Jahre Geschichte in zwei Minuten darstellt.
Das Wichtigste in Kürze
- Wissenschaftler von der ETH Zürich simulieren die Gletscherentwicklung mit «Piz Daint».
- Das Team um Wissenschaftler Julien Seguinot möchte damit die Entwicklung besser verstehen.
Als vor rund 115'000 Jahren die letzte Kaltzeit der Erdgeschichte anbrach, dehnten sich die Gletscher aus den Alpen mehrfach ins Mittelland aus und zogen sich wieder zurück. Forschende der ETH Zürich haben Jahrtausende der Gletscherentwicklung in einer Simulation nachgestellt.
Ausgeschliffene Täler, das hügelige Alpenvorland und die im Mittelland verstreuten Findlinge sind Zeugen einer Zeit, in der Gletscher einen grossen Teil der Alpen einnahmen, sich wiederholt bis ins Mittelland ausdehnten und wieder zurückzogen. Dabei trugen sie Gesteinsmaterial ab und mit sich, lagerten es in Form von Moränen ab, die heute das hügelige Alpenvorland prägen.
Wissenschaftler um Julien Seguinot von der ETH Zürich haben den Supercomputer «Piz Daint» genutzt, um die letzten 120'000 Jahre Gletscherentwicklung in den Alpen zu simulieren und besser zu verstehen. Von der Ergebnissen berichteten die Forschenden kürzlich im Fachblatt «The Cryosphere», wie die Hochschule heute Dienstag mitteilte.
Gletschergeschichte in zwei Minuten
Die Simulation zeigt im Zeitraffer aus der Vogelperspektive, wie die Schnee- und Eisdecke geradezu pulsiert und dabei auch insgesamt wiederholt wächst und wieder schrumpft. Gegen Ende setzt die Warmzeit ein und am Schluss sind kaum noch weisse Flecken vorhanden.
Das Modell hinter der Simulation – Parallel Ice Sheet Model (PISM) genannt – fütterten die Forschenden mit Daten über die anfängliche Topographie von Gebirgen und Gletschern, die physikalischen Eigenschaften von Gestein und Gletscher, die teils auf Beobachtungen aus der Antarktis und Grönland basieren, sowie Daten zum Wärmefluss im Erdinneren und der klimatischen Bedingungen.
Die Forschenden um Seguinot verwendeten verschiedene Klima-Datensätze, welche vergangene klimatische Bedingungen anhand von Sediment- und Eisbohrkernen rekonstruierten. Nur einer der Datensätze führte bei der Simulation zu Ergebnissen, die mit den geologischen Spuren der Gletscher in Gestein und Sediment übereinstimmte, wie die ETH schrieb.
Laut der Untersuchung haben sich die Alpengletscher häufiger ausgedehnt und wieder zurückgezogen als bisher angenommen. Einige sogar mehr als zehnmal, hiess es. Fachleute gingen lang von einer deutlich geringeren Zahl aus.
Als Bern unterm Gletscher lag
Die Simulation zeigt auch, dass die Gletscher vor rund 25'000 ein Maximum erreichten und dabei weit ins Alpenvorland ragten, bis nach Bern, Zürich und Schaffhausen, in Deutschland fast bis nach München. Danach ging die Kaltzeit im Laufe mehrerer Jahrtausende in die Warmzeit über, in der wir heute leben.
Aus einer weiteren, höher aufgelösten Simulation schliessen die Forschenden, dass die Eisdecke während des Maximums der Vereisung deutlich dicker gewesen sein muss als bisher angenommen, zum Beispiel bis zu 800 Meter dicker im oberen Rhonetal. Eine gewisse Unsicherheit der Berechnungen bleibe aufgrund notwendiger Vereinfachungen von Prozessen, hiess es. Es brauche mehr in digitalen Karten erfasste Daten über Landes- und Sprachgrenzen hinweg, um die Rekonstruktion der Vergletscherungsgeschichte zu validieren, schrieb die ETH.