Forderungen am Bezirksgericht Brugg AG gehen weit auseinander
Im Prozess gegen einen Vater wegen mutmasslich versuchten Mordes an seiner vierjährigen Tochter vor dem Bezirksgericht Brugg AG hat der Verteidiger am Mittwoch eine Verurteilung seines Mandanten unter anderem wegen versuchter schwerer Körperverletzung und eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren beantragt. Die Anklägerin forderte 19 3/4 Jahre wegen versuchten Mordes und anderer Delikte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Beschuldigte hatte am 17.
August 2019 im Brugger Einkaufszentrum Neumarkt seine damals vierjährige Tochter zweimal hoch über den Kopf gehoben und sie mit voller Wucht auf den Boden geschmettert. Passanten griffen ein und hielten ihn von weiterer Gewalt gegen das Kind ab. Die Tat wurde von einer Überwachungskamera festgehalten. Das Mädchen überlebte mit schweren Kopfverletzungen.
Der Beschuldigte machte vor dem Bezirksgericht konsequent von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. In der Untersuchung hatte er seine Tat damit begründet, dass ihn die Grossmutter des Kindes «genervt» habe.
Die Anklägerin forderte eine Verurteilung des 53-Jährigen wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung. Im weiteren sei er der Drohung und der mehrfachen Beschimpfung der Mutter seiner Partnerin schuldig zu sprechen. Angemessen sei eine Freiheitsstrafe von 19 Jahren und 9 Monaten.
Eine Verminderung der Schuldfähigkeit liege grundsätzlich nicht vor, sagte die Staatsanwältin. Falls die Grossmutter des Kindes ihn vor der Tat tatsächlich besonders stark provoziert haben sollte, könnte allenfalls eine leichte Verminderung zugestanden werden.
Der Verteidiger dagegen beantragte eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Beschimpfung. Sein Mandant habe keinerlei Tötungsabsicht gehabt. Und dass die Verletzungen des Kindes schwer gewesen seien, sei nicht belegt. Er forderte eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren.
Sollte das Gericht auf eine versuchte Tötung entscheiden, wäre eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren angemessen, sagte der Verteidiger. Er machte eine mittelgradig verminderte Schuldfähigkeit seines Mandanten geltend.
Verteidiger und Staatsanwältin waren einig, dass eine ambulante Massnahme während des Vollzugs anzuordnen sei. Auch eine Landesverweisung des Irakers war unbestritten. Der Verteidiger beantragte zehn Jahre, die Anklägerin das gesetzlich zugelassene Maximum von 15 Jahren.
Die Vertreterinnen des Kindes und dessen Mutter, der Ex-Partnerin des Beschuldigten, verlangten dessen Verurteilung gemäss Anklage. Das Kind habe «mehr als einen Schutzengel» gehabt, dass es seine schweren Kopfverletzungen überlebt und sich davon erholt habe, sagte seine Vertreterin. Nach der schweren Traumatisierung seien seelische Probleme aber bis heute geblieben und dürften lebenslang anhalten.
Weil noch eine lange Zeit Therapien nötig sein dürften, müsse der Beschuldigte für haftpflichtig erklärt werden, so die Vertreterinnen weiter. Zudem sei dem Mädchen eine Genugtuung von mindestens 30'000 Franken zuzusprechen.
Der Mutter des Opfers, welche die Tat mitansah, ist laut deren Vertreterin eine Genugtuung von 10'000 Franken zuzusprechen. Dies sei in einer Vereinbarung zwischen dem ehemaligen Paar bereits so festgehalten und anerkannt.
Aus Platzgründen fand die Verhandlung vor dem Bezirksgericht Brugg in einem Saal de Kantonspolizei in Schafisheim AG statt. Die Urteilseröffnung ist auf Freitagnachmittag vorgesehen.