Frau verzichtet auf Alkohol – und verheimlicht es ihrem Mann
«Ich war besorgt, wie er es aufnehmen würde.» Eine US-Amerikanerin schildert, wie sie heimlich aufhörte zu trinken. Ein Paartherapeut schätzt bei Nau.ch ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Frau schildert, dass sie ihre Nüchternheit monatelang für sich behielt.
- Grund: Sie fürchtete sich vor negativen Reaktionen. Auch von ihrem Mann.
- Paartherapeut Reto Mischol erklärt, warum diese Schamgefühle entstehen.
Sie stellte fest, wie ihr der Alkohol nicht guttat: Die US-Amerikanerin Angela Anagnost-Repke kämpfte mit Schlafproblemen und realisierte, wie sich der Kater negativ auf ihr Leben auswirkte. «Ich merkte – und ignorierte – Allergien gegen alle Arten von Alkohol.»
Eines Tages hörte die Lehrerin dann auf zu trinken – und fühlte sich schlagartig besser. Doch damit waren die Probleme nicht gegessen.
«Als ich aufhörte, Alkohol zu trinken, hielt ich das monatelang geheim – sogar vor meinem Mann.» Unter diesem Titel berichtet Angela Anagnost-Repke von ihrem Weg zur Alkohol-Abstinenz im «Business Insider».
Zunächst wollte sie es niemandem erzählen, drückte sich sogar vor Treffen mit Freunden. «Ich sass allein mit dem Geheimnis meiner Nüchternheit, das sich eher wie eine Feder als wie eine Bombe anfühlen sollte.»
Erst Monate später vertraute sie dieses zunächst ihrem Mann, dann ihrem Freundeskreis an. Warum fällt das einem so schwer?
«Subtiler Druck» in Beziehungen wegen Alkohol
Reto Mischol, Psycho- und Paartherapeut aus Chur, erklärt bei Nau.ch: «In Paarbeziehungen kann subtiler Druck entstehen, Alkohol zu konsumieren. Wenn einer der Partner regelmässig trinkt und der andere sich dadurch beeinflusst fühlt, ebenfalls zu trinken.»
Dies könne sowohl durch direkte Aufforderungen oder auch nur durch implizites Verhalten geschehen.
Wenn eine Person einen Alkoholverzicht beschliesst, sei es wichtig, dass der Partner oder die Partnerin unterstützend und respektvoll reagiere. Mischol erklärt: «Das bedeutet, die Entscheidung zu akzeptieren, keine negativen Kommentare abzugeben und zum Beispiel alternative Aktivitäten anzubieten, die keinen Alkoholkonsum beinhalten.»
Durch die Befürchtung, der Partner oder die Partnerin könne einen negativ beurteilen oder das neue Verhalten nicht akzeptieren, entstünden Schamgefühle. Mischol warnt: «Suchtverhältnisse sind oft an eine Paardynamik gebunden und dadurch für den Einzelnen nicht leicht zu durchbrechen.»
Er rät Paaren deshalb Folgendes: «Es ist wichtig, dass beide Partner sich gegenseitig unterstützen und respektieren, unabhängig von ihren individuellen Entscheidungen bezüglich Alkoholkonsum.»
US-Amerikanerin hat seit Alkoholverzicht weniger Freunde
Im Fall der US-Amerikanerin Angela Anagnost-Repke waren die Sorgen unberechtigt. Im «Business Insider» schildert sie weiter: «Ich war besorgt, wie er es aufnehmen würde. Glücklicherweise begegnete er meiner Nüchternheit mit Neugier statt mit Angst.»
Ihr Mann habe gesehen, wie der Alkoholverzicht ihrer Stimmung und der allgemeinen Gesundheit zugutekam. Ein Jahr später schwor auch ihr Mann dem Trinken ab.
Ihren Freunden erzählte es Anagnost-Repke nur via Telefon statt bei einem Treffen in der Öffentlichkeit: «Es ist mir peinlich, das jetzt zuzugeben: Als Frau Ende 30 habe ich immer noch mit Gruppendruck zu kämpfen.»
Die meisten hätten positiv reagiert, andere hätten nichts damit anfangen können. Ihr Freundeskreis sei durch den Alkoholverzicht zwar kleiner geworden, den Verzicht bereue sie aber keineswegs. «Ich lehnte diesen subtilen Gruppenzwang ab, denn meine geistige Gesundheit war mir mehr wert als das Feiern», schreibt sie.