Coronavirus

Fünf Jahre nach Lockdown: So hat Corona die Schweiz verändert

Dina Müller
Dina Müller

Obwalden,

Heute vor fünf Jahren wurde in der Schweiz der Lockdown ausgerufen. Diese Zeit beeinflusst noch heute unser Leben.

Hygienemaske Boden
Eine am Boden liegende Hygienemaske. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor genau fünf Jahren hat der Bundesrat die ganze Schweiz in den Lockdown geschickt.
  • Insbesondere Spitäler hat die Corona-Krise in vielerlei Hinsicht auf die Probe gestellt.
  • Long-Covid belastet noch immer Hunderttausende Menschen in der Schweiz.
  • Doch laut einem Experten steht uns das Schlimmste erst noch bevor.

Ende Dezember 2019 konnte man in der Schweiz die ersten Medienberichte über eine in China ausgebrochene «mysteriöse Lungenkrankheit» lesen. Ein sogenanntes Coronavirus werde vermutet – ein Begriff, der den meisten zu diesem Zeitpunkt wohl noch unbekannt war.

Mitte Januar wurde der erste Todesfall aus China vermeldet. Das Virus breitete sich aus auf Thailand und Japan.

«Das ist bloss eine etwas schlimmere Erkältung», hörte man damals noch viele sagen. Aber kaum jemand konnte damit rechnen, was auf uns zukam.

Es dauerte nicht lange, da waren auch erste Covid-Infektionen in Europa bekannt. Am 25. Februar 2020 wurde der erste Fall in der Schweiz bestätigt.

Nur drei Wochen später, heute vor fünf Jahren, rief der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» aus: Lockdown für die ganze Schweiz. Eine Zeit, die in Geschichtsbücher eingehen wird.

Die gravierenden Folgen dieser aussergewöhnlichen Wochen, der Krisenbewältigung und des Coronavirus sind noch heute zu spüren.

Personalengpass im Spital

Insbesondere für Spitäler zog die Coronapandemie eine Herausforderung nach der anderen mit sich.

Für die Spitäler der Inselgruppe seien unter anderem die hohe Anzahl intensivpflichtiger Patientinnen und Patienten, die vielen Notfallkonsultationen und Lieferengpässe bei medizinischen Gütern sehr belastend gewesen.

«Ein Teil des Personals leistete während Monaten eine grosse Zahl an Überstunden», so Mediensprecher Daniel Saameli gegenüber Nau.ch.

Dies wiederum habe dazu geführt, dass sich viele im Gesundheitswesen tätige Personen neu orientierten oder ihr Pensum reduzierten. «Der sich bereits anberaumende schweizweite Notstand beim Gesundheitspersonal akzentuierte sich durch die Krise.»

Long-Covid fordert Gesundheitssystem

Noch heute sei die Arbeitsbelastung aufgrund der Covid-Viren höher: «Long-Covid und generell postinfektiöse Fatigue-Syndrome stellen eine erhebliche Herausforderung sowohl für die Betroffenen als auch für die Versorgungssysteme dar», so Saameli.

Hast du Achtung vor Pflege-Fachkräften?

Moritz Suter vom USZ (Universitätsspital Zürich) bestätigt diese Erfahrung: «Die anhaltenden Symptome führen nicht nur zu Arbeitsausfällen, sondern auch zu einem erhöhten Bedarf an medizinischer Versorgung, wodurch das Gesundheitssystem weiter beansprucht wird.»

So verbrauche die vom USZ betriebene spezialisierte Long-Covid-Sprechstunde beträchtliche personelle und zeitliche Ressourcen.

Ungeduld und Gereiztheit von Patienten

Auch der Umgang mit Patienten wurde möglicherweise durch die Corona-Pandemie erschwert.

«Es besteht der Eindruck, dass Patientinnen und Patienten schneller ungeduldig und gereizt reagieren als in früheren Zeiten», sagt Suter. Ausserdem dürfte die Intensität aggressiver Ausbrüche zugenommen haben.

Genaue Daten zu diesen Beobachtungen lägen dem USZ allerdings nicht vor.

Positive Aspekte für Spitäler heute

Die Krise hinterlässt jedoch nicht nur Schlechtes: «Während der Pandemie wurden viele Erkenntnisse zur Übertragung von Erkältungsviren gewonnen», so Saameli. Diese versuche man zu nutzen.

Das Tragen von Masken und das Lüften haben laut Saameli seither in Spitälern an Bedeutung gewonnen. «In der Peakphase der diesjährigen Erkältungs- und Grippesaison führten wir erneut eine Maskentragpflicht im Patientenkontakt ein.»

Laut Suter finde auch von Seiten der Patienten und Besucher nun ein besserer Umgang mit Erkältungs-Viren statt: «Die Pandemie hat das Bewusstsein für die Gefahren von Viren und Infektionen bei Patientinnen und Patienten und Besuchenden sicher geschärft.»

Long-Covid Patienten

Während ein Grossteil der Bevölkerung die Corona-Pandemie wohl hinter sich gelassen hat, leiden viele noch heute durch das Virus.

«Experten schätzen, dass zirka fünf Prozent der Bevölkerung von Long-Covid betroffen sind. Das entspricht 450‘000 Menschen in der Schweiz», weiss Chantal Britt, Präsidentin der Patientenorganisation Long-Covid Schweiz. 80 Prozent der Betroffenen seien Frauen.

«Die Betroffenen haben Belastungsintoleranz, Symptomverschlechterung nach Anstrengung, Schwindel und Herzrasen, kognitive Dysfunktion, Erschöpfung und Schmerzen.» Bis hin zu myalgischer Enzephalomyelitis, einer schweren neuroimmunologischen Erkrankung, könne das Krankheitsbild reichen.

Viele Betroffene wurden laut Britt nie korrekt diagnostiziert. Ihre Long-Covid Symptome würden dann typischerweise auf die Psyche geschoben.

Auch wenn die Schweiz grundsätzlich schnell und korrekt auf die Pandemie reagiert habe: «Auf Langzeitfolgen wie Long-Covid und war niemand vorbereitet.»

Kennst du eine Person mit Long-Covid?

Und auch heute fehlen laut Britt noch «Kompetenzen, Strukturen und Kapazitäten für die adäquate Versorgung der Betroffenen».

Psychische Auswirkungen

Die Pandemie forderte nicht nur die physische, sondern auch die mentale Gesundheit der Schweizer Bevölkerung.

«Viele Menschen mit vorbestehenden psychischen Problemen waren durch die gesamte Pandemie besonders verunsichert», erklärt Dirk Richter. Er ist Leiter Innovationsfeld Psychische Gesundheit und psychiatrische Versorgung an der Berner Fachhochschule.

«Psychische Probleme während der Pandemie sind nicht allein durch Lockdown und andere Massnahmen verstärkt worden, sondern ebenso durch das Infektionsgeschehen und die damit verbundenen Ängste», sagt Richter.

Jugendliche und junge Erwachsene seien aufgrund von Einschränkungen der Sozialkontakte deutlich stärker von der Pandemie betroffen gewesen. «Ältere Menschen hingegen haben unter der Pandemie in mentaler Hinsicht deutlich weniger gelitten als ursprünglich erwartet wurde», so Richter.

Während die psychische Belastung durch die Pandemie zugenommen habe, sei gleichzeitig der Zugang zu Therapien erschwert gewesen. Therapeutische Kontakte wurden laut Richter eingeschränkt, «sodass das Hilfesystem mitunter nicht funktionierte».

«Unmittelbar sind die Folgen heute noch bei Long-Covid Betroffenen zu spüren, von denen viele unter psychischen Problemen leiden», sagt Richter.

Hat dich die Pandemie psychisch belastet?

Es sei jedoch auch davon auszugehen, «dass sich insbesondere bei jungen Menschen während der Pandemie psychische Probleme erstmalig entwickelt haben, unter denen sie heute noch leiden».

Eine gespaltene Gesellschaft

«Die Pandemie war ein Treiber der gesellschaftlichen Spaltung», sagt Marko Kovic, Soziologe und Gesellschaftskritiker. «Gruppierungen, die mit Freiheitseinschränkungen nicht einverstanden waren, haben sich teilweise radikalisiert und ein Publikum gefunden.»

Spaltung sei grundsätzlich ein wichtiger Teil einer Gesellschaft: «Ohne Konflikt gibt es keinen Fortschritt», so Kovic.

Allerdings müsse der Konflikt im Rahmen demokratischer Normen stattfinden. «Es gibt bis heute radikalisierte Gruppierungen, die diese Normen ablehnen.»

«Das Schlimmste steht bevor»

«Insgesamt ist die Schweiz gut durch die Pandemie gekommen», meint Kovic. Trotzdem sei es zu einem grossen Teil ein «Durchwursteln» gewesen.

Kovic: «Die Behörden in der Schweiz hatten es – wie die meisten Länder – versäumt, sich an-gemessen auf eine solche Pandemie vorzubereiten.» Und das, obwohl schon Jahre zuvor von Fachleuten vor einer solchen Krise gewarnt worden sei.

«Die Covid-Pandemie war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Krisen, die vor uns liegen», warnt der Gesellschaftskritiker weiter.

Es bestünden immer grössere globale Risiken und mehr gesellschaftliche Zerbrechlichkeit. «Pandemien, Biotechnologie, künstliche Intelligenz, wirtschaftliche Prekarisierung, um nur einige zu nennen», so Kovic. Und die politischen Entscheidungsträger befänden sich «weitgehend im Blindflug».

Kovics düstere Prophezeiung: «Das Schlimmste steht erst bevor.»

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