Für Schweizer Energiebranche ist ein AKW-Neubau (noch) kein Thema
Die Energiebranche zeigt sich skeptisch gegenüber einem Bau neuer Atomkraftwerke (AKW). Die Stromkonzerne befürworten aber Technologieoffenheit.
Aktuell ist ein AKW-Neubau in der Schweiz verboten. Dem stimmte die Bevölkerung zu, als sie 2017 das revidierte Energiegesetz mit 58 Prozent der Stimmen annahm. Allerdings will Bundesrat Albert Rösti das AKW-Bauverbot aus dem Gesetz streichen und hat eine entsprechende Vorlage angekündigt.
Grundsätzlich begrüssen die Energieunternehmen diesen Vorstoss: «Sollte das Parlament die Aufhebung des Neubauverbots mit einer Anpassung des Kernenergiegesetzes wieder diskutieren wollen, würde die Axpo dies im Sinne der Technologieoffenheit begrüssen», sagt etwa der grösste Schweizer Energiekonzern auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.
«Je mehr Optionen wir für die Zukunft haben, desto mehr Handlungsspielraum für unsere Versorgungssicherheit», sagt auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). «Aus strategischer Sicht ist es daher falsch, künftige Optionen heute auszuschliessen und damit den Handlungsspielraum einzuschränken», heisst es weiter.
Die Frage eines Neubaus stellt sich für die Unternehmen aber derzeit nicht; da werden die Versorger deutlich. «Selbst eine Aufhebung des Neubauverbots bedeutet nicht, dass neue Kernkraftwerke zwangsläufig gebaut werden», heisst es von der Axpo. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wären die finanziellen, regulatorischen und politischen Risiken Stand heute demnach zu hoch.
Auch Alpiq befürwortet grundsätzlich Technologieoffenheit, will sich aber im Moment auf die Sicherstellung des Langzeitbetriebes der bestehenden Kernkraftwerke konzentrieren. «Das wird sehr viel Aufmerksamkeit erfordern», heisst es aus Olten. Gleichzeitig sollen die geplanten Projekte im Bereich Wasserkraft, alpine Photovoltaik und Windkraft umgesetzt werden.
Fokus auf Projekte zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
Auch bei der BKW ist ein Ausbau der Kernkraft nicht Teil der aktuellen Strategieperiode bis 2030, wie es auf Anfrage heisst. In Bern liegt kurz- bis mittelfristig der Fokus auf Projekten zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.
Das einst von der BKW betriebene fünfte Schweizer Atomkraftwerk in Mühleberg ist mittlerweile seit fünf Jahren nicht mehr am Netz. Die Stilllegung war ein betriebswirtschaftlicher Entscheid: Die nach dem Unfall im japanischen Fukushima geforderten Aufrüstungen hätten sich laut damaligem Management nicht gelohnt
Langfristig aber bleibe die BKW technologieoffen. «Falls die Gesellschaft zukünftig die Klimaziele erreichen, die Versorgungssicherheit garantieren und einer unverbauten Landschaft höchste Priorität einräumen möchte, können neue Kernkraftwerke langfristig als Teil der Lösung eine Rolle spielen», heisst es. Voraussetzung für einen Bau und wirtschaftlichen Betrieb eines neuen Kernkraftwerks wären aber «ein breitabgestützter gesellschaftlicher Konsens, welcher über Jahrzehnte tragfähig ist», sowie «entsprechende politische und gesetzliche Rahmenbedingungen».
Axpo-Chef Christoph Brand sagte es vor rund zwei Wochen im Interview mit AWP Video sehr klar: «Der Bau eines Kernkraftwerks der bestehenden Generation ist betriebswirtschaftlich für ein Unternehmen nicht darstellbar. Das kann nur der Staat machen.»
Ohnehin würde ein definitiver Entscheid über die Aufhebung des Rahmenbewilligungsverbots inklusive Volksabstimmung frühstens in ein paar Jahren vorliegen, gibt der Energiewirtschaftsverband VSE zu bedenken. «Umso wichtiger ist es, alles daranzusetzen, unsere Versorgung für die nächsten 10 bis 15 Jahre zu gewährleisten – da ist der Ausbau der Wasser-, Solar- und Windkraft alternativlos.»