Genderqueere verlangen neutrale Sprache – wie geht das?
Tamy Glauser nutzt keine weiblichen Pronomen mehr – aber auch keine männlichen. Das sorgt für Verwirrung. Eine Transgender-Organisation erklärt neutrale Sprache.
Das Wichtigste in Kürze
- Tamy Glauser will wie einige andere Stars nicht mehr «sie» genannt werden.
- Auf Englisch benutzt das Model die Pronomen «they» und «them».
- Eine Trans-Organisation fordert gendergerechte Sprache – und erklärt, wie das geht.
Sam Smith, Amandla Stenberg und nun Tamy Glauser: Immer mehr Stars outen sich als non-binär – heisst: Sie fühlen sich weder exklusiv dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig.
Glauser will deshalb nun nicht mehr mit weiblichen Pronomen angesprochen werden und nutzt auf Englisch «they» und «them». Damit sorgt das Model für Verwirrung, wie auch eine Umfrage unter den Nau.ch-Lesern zeigt.
Rund drei Viertel geben an, das Ganze nicht zu verstehen. Eine Transgender-Organisation will nun Licht ins Dunkel bringen – und erklärt, wie neutrale Sprache auf Deutsch aussehen soll.
Warum die Katze Tamy Glauser gehört – und nicht ihr
Janna Kraus vom Transgender Network Switzerland führt aus: «Im alltagssprachlichen Gebrauch ist es das Einfachste, den Namen der Person zu verwenden.» Pronomen seien ja dafür da, Nomen – in diesem Fall den Namen – zu vertreten.
So könne man etwa sagen «Tamy Glausers Katze» statt «ihre Katze». Auch auf Formulierungen mit «sich» oder «eigene» könne man zurückgreifen. Also: «Die eigene Katze» oder «bei sich zu Hause» statt «bei ihr zu Hause».
Kraus erklärt: «Das ist nicht umständlich und sehr zugänglich. Viele Leute stossen sich am repetitiven Element, aber inhaltliche Korrektheit trumpft nun mal persönliche ästhetische Präferenzen.»
Auch auf Deutsch sei es problemlos möglich, über Personen zu reden, deren Geschlecht man nicht kenne. «Also sind wir auch in der Lage, Menschen kein falsches Geschlecht zuzuschreiben.»
Wissenschaftlerin über gendergerechte Sprache
Und wie sehen Sprachforschende das Ganze? Christiane Hohenstein ist Professorin für Interkulturalität und Sprachdiversität an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Sie erläutert: «Es gibt auf der einen Seite die gendergerechte Sprache, die eine aktive Änderung der Sprache fordert.»
Heisst: Diese Sprachform strebt an, dass Frauen und alle non-binären Personen im Sprachgebrauch genau so vorkommen wie in der Realität. «Andererseits besteht das Problem, dass nicht für alle Differenzierungen in unserer Sprache (schon) Nennformen existieren. Die Sprache ändert sich aber beständig mit unseren Ausdrucksbedürfnissen.»
Sprachexpertin: «Müssen noch suchen und probieren»
Studien zufolge würden maskuline Nomen sprachhistorisch mit dem Merkmal der Belebtheit assoziiert. Für Lebewesen gibt es demnach im Deutschen dreimal mehr männliche als weibliche Bezeichnungen.
Die Sprachwissenschaftlerin erklärt: «Nomen wie ‹der Mann› und ‹der Baum› stehen den Studien zufolge in der Belebtheitshierarchie höher als ‹die Frau›, ‹die Pflanze› oder ‹das Tier›.»
«Diese Assoziation mit mehr oder weniger Belebtheit hängt historisch möglicherweise mit der gesellschaftlichen Abwertung von Frauen zusammen. Aber auch mit der Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Dingen», sagt Hohenstein.
Wegen dieser sprach- und gesellschaftsgeschichtlichen Assoziationen hegt sie gegenüber der Verwendung des Pronomens «es» für non-binäre Menschen eine gewisse Skepsis. Doch auch hier könne ein Sprachwandel eintreten.
Eine Möglichkeit sei die Übernahme von englischen Wörtern ins Deutsche. «Da sich das ‹they› und ‹them› sprachlich aber schon nicht gut ins Deutsche einfügt, sehe ich da praktische Hürden. Ich glaube, wir müssen noch ein wenig suchen und probieren – und diskutieren.»