«Hässlichste Käffer» gehen viral – Einwohner verärgert

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Bern,

«Urbane Hölle», «Ghetto» und «hässlichste Käffer der Schweiz»: So werden auf Tiktok zahlreiche Schweizer Orte betitelt. Das stösst Einwohnern sauer auf.

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Quartiere im Stadtteil Bümpliz-Oberbottigen und andere Siedlungen in Bern werden als «Ghetto» bezeichnet. - Tiktok/@just63275

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf Tiktok und Instagram liegt es im Trend, «hässliche» Schweizer Quartiere zu zeigen.
  • In den viralen Videos werden Stadtteile oder Wohnviertel als «Ghetto» beschimpft.
  • Vor Ort stösst das vielen sauer auf – sie betonen, dass es bei ihnen schöne Flecken gibt.

Ein Tiktok-Trend erhitzt die Gemüter: Videos, die die angeblich «hässlichsten Käffer» der Schweiz zeigen, werden tausendfach geklickt. Teilweise werden Quartiere mit ausführlichen Bildergalerien gezeigt – und als «urbane Hölle» oder «Ghetto» bezeichnet.

Kritisiert werden unter anderem ältere Wohnblöcke in Aarau, Bern oder Spreitenbach AG. Vor Ort ist man über die Zuschreibungen wenig begeistert, aber auch wenig überrascht.

«Ghetto»-Blöcke sind eigentlich «Architekturjuwel»

Gezeigt wird unter anderem die Wohnblocksiedlung Tscharnergut im Stadtteil Bümpliz-Oberbottigen. SP-Stadtrat Chandru Somasundaram, der in Bümpliz aufgewachsen ist, findet die Videos «unsinnig, aber harmlos», wie er zu Nau.ch sagt.

«Ob die Wohnblöcke jetzt schön sind oder nicht, darüber lässt sich streiten. Aber das Tscharnergut ist ein Architekturjuwel. Studierende kommen immer wieder extra aus dem Ausland, um es zu betrachten», sagt er.

Die Kritik sei nicht neu – dass Bümpliz das «Ghetto» von Bern sei, habe er schon oft gehört. Auch der Bümplizer SVP-Grossrat Thomas Fuchs ist mit den Sprüchen bestens vertraut.

«Die Hochhäuser sollten erneuert werden»

«Gerade bei der Wohnungssuche gibt es oft das Vorurteil, dass Suchende Bern West ausschliessen», sagt er. «Das hängt wohl auch mit dem hohen Ausländeranteil zusammen.»

Dabei habe der Stadtteil viele Vorteile. «Die Mieten sind noch bezahlbar und das Angebot an Schulen, Einkauf und so weiter ist sehr gut.» Dennoch ist für Fuchs klar: «Die Hochhäuser im Tscharnergut sollten erneuert werden, die Grundrisse sind nicht mehr zeitgemäss.»

Wohnen Sie in einem Wohnblock?

Die Blöcke wurden in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren gebaut. «Hochhäuser galten damals als Symbol der wachstumsorientierten, aufstrebenden Gesellschaft», sagt Christine Gross vom Stadtplanungsamt zu Nau.ch. Die Wohnflächen sind klein und günstig.

«Wir nennen Quartier ‹Klein-Manhattan›»

Auch die Telli-Siedlung in Aarau bekommt auf Tiktok ihr Fett weg. Für Anna Borer von der Stadtentwicklung ist die «Ghetto»-Kritik nichts Neues: «Die charakteristischen Scheiben werden in Aarau liebevoll als ‹Staumauern› bezeichnet», sagt sie.

«Kritik kommt aber meist von Personen, die selbst nicht in der Telli wohnen.» Die Siedlung sei beliebt – «es gibt nicht mehr leere Wohnungen als in anderen Stadtteilen.» Zudem habe man gerade zwei Wohnzeilen saniert.

Als eines der «hässlichsten Käffer» der Schweiz betitelt wird Spreitenbach AG. Für Gemeindepräsident Markus Mötteli unverständlich.

«Man hört von Auswärtigen schon ab und zu, es sei nichts Schönes. Sie nennen das Langäcker-Quartier auf dem Bild ‹Klein-Manhattan›», sagt er zu Nau.ch.

«Aber wenn man durch das Quartier spaziert, sieht man, dass es schön ist bei uns», betont er. Es habe viele Grünflächen und einiges sei frisch saniert. «Natürlich gibt es Gebäude, die man renovieren sollte. Aber das geschieht auch nach und nach», versichert er.

«Transformation ist im Gang»

Auch auf der «hässlichste Käffer»-Liste: Illnau-Effretikon ZH. Der stellvertretende Stadtschreiber Marco Steiner ist darüber wenig erfreut – gibt aber zu bedenken: «Viele kennen Effretikon wohl von der Durchfahrt mit dem Zug oder als Umsteigeort.» Die empfundene «Unattraktivität» werde daher wohl stark geprägt «durch das in die Jahre gekommene Zentrum rund um den Bahnhof».

Effretikon
Auch Effretikon ZH hat es auf die Liste der «hässlichsten Käffer» geschafft. - Tiktok/@just63275

Das habe man schon vor Jahren erkannt. «Die Transformation ist im Gang. In den nächsten Jahren werden zahlreiche Altbauten abgerissen und neuen Gebäuden weichen», sagt Steiner.

«Das Ganze lässt sich aber auch positiv sehen: Effretikon ist jetzt einem noch grösseren Kreis bekannt.» Die Stadt könne die Chance nutzen, um das Bild zum Positiven zu wandeln.

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Kommentare

User #5566 (nicht angemeldet)

Für die 12 Mio Schweiz wird man noch viel mehr schönreden müssen. Auch die Antirassismus Kommission wird darüber wachen

User #4955 (nicht angemeldet)

Alles schönreden in den Medien.

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