Hat die Reisequarantäne wirklich etwas gebracht?

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Bern,

Nicht einmal 1 Prozent der Menschen, die in der Schweiz in Reisequarantäne mussten, war Corona-positiv. War die Quarantäne nach der Reise-Rückkehr unnötig?

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Ein Hinweis auf die Reisequarantäne am Flughafen Zürich. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nicht einmal ein Prozent der Personen in Reisequarantäne war Corona-positiv.
  • BAG und Kantone wussten bereits länger von der niedrigen Quote.
  • Von Anfang an habe die Massnahme vor allem zur Abschreckung gedient, erklärt das BAG.

Es war das Thema des Sommers: Immer mehr Länder landeten auf der Quarantäneliste des Bundes. Mit der Regelung war die Schweiz keinesfalls alleine – aber hierzulande war die Regelung besonders streng: Bereits bei 60 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner in zwei Wochen landete ein Land auf der Liste.

Tausende mussten infolgedessen in die Reisequarantäne. Die Regelung wurde erst vor kurzem gekippt: Mittlerweile hat die Schweiz den Schwellenwert um das fünfzehn-fache überschritten. Recherchen der «NZZ am Sonntag» haben nun aufgedeckt, dass die Reisequarantäne bereits länger nur einen minimalen Effekt hatte.

Nur 0,87 Prozent hatten das Coronavirus

Die Reisequarantäne wurde im Sommer nach der grossen Massnahmen-Lockerung beschlossen. Damals stiegen die Fallzahlen vor allem im Balkan, während in der Schweiz Sommerferien waren. Viele Kantone stellten einen signifikanten Anteil der Infektionen mit dem Coronavirus bei Rückkehrern aus der Region fest.

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Abgestellte Flugzeuge in Dübendorf. Die Reiseaktivität ging infolge der Reisequarantäne drastisch zurück. - Keystone

Interne Protokolle von Sitzungen des BAG mit den Kantonsärzten haben gezeigt, dass die Reisequarantäne bereits länger umstritten war. Im September berechnete ein Kanton, dass gerade einmal 0,4 Prozent der Personen in Reisequarantäne tatsächlich das Coronavirus hatten. Das BAG berechnete 0,87 Prozent.

Reisequarantäne: Bund erhielt Kritik von Kantonen

Aufgrund der niedrigen Zahlen kritisierten einige Kantone die vom Bund verhängte Reisequarantäne. Doch es herrschte keine Einigkeit – andere Kantone verteidigten die Regelung. Das BAG verteidigte sich, «NZZ am Sonntag» zitiert das Sitzungsprotokoll: «Die Reisequarantäne hat insbesondere auch den Effekt, dass die Menschen weniger reisen und weniger in Risikogebiete reisen.»

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Hinweisschilder zur Reisequarantäne am Flughafen Zürich (Archiv). - Keystone

Der entscheidende Faktor seien die Reisen gewesen, welche aufgrund der Reisequarantäne abgesagt worden seien, so das BAG. Bei der Reisequarantäne des Bundes habe es sich also vor allem um eine Massnahme zur Abschreckung gehandelt. Die Reisequarantäne an sich hat nur wenige Fälle verhindert und viele Menschen umsonst isoliert. Hätte es keine Reisequarantäne gegeben, hätten sich jedoch mehr Schweizer auf Auslandsreisen infiziert.

Wie weit darf der Bund gehen?

Wirtschaftsnahe Kreise hatten bereits lange die Massnahme kritisiert. Die zahlreichen Quarantänefälle haben viele Betriebe belastet. Dennoch beurteilt das BAG die Massnahme nach wie vor als wirkungsvoll: Der präventive Effekt sei durchaus erfolgreich gewesen, zitiert die «NZZ am Sonntag».

Doch ist es richtig, eine Massnahme zu ergreifen, deren eigentlicher Zweck nicht klar kommuniziert wird? Eine Verringerung der Reisetätigkeit – so das angestrebte Ziel – hätte auch mit einem Reiseverbot umgesetzt werden können. Der Effekt wäre ähnlich gewesen – die öffentliche Wahrnehmung jedoch eine völlig andere.

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