Sexismus

Hier endet das Kompliment – und Sexismus beginnt

Cynthia Mira
Cynthia Mira

Bern,

Immer wieder werden Frauen am Arbeitsplatz mit Worten belästigt. Eine Expertin beurteilt Beispiele – und was Männer dabei falsch machen.

Sexismus
Studien zeigen: Fast jede dritte Frau fühlt sich im Verlauf ihres Erwerbslebens sexuell belästigt. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Sexismus am Arbeitsplatz erleben auch noch im Jahr 2024 viele Frauen.
  • Frauen erzählen von ihren Erfahrungen.
  • Expertinnen erklären, welche der Sprüche unter der Gürtellinie liegen und warum.

Ob Sprüche lustig sind oder nicht, darüber lässt sich bekanntlich streiten. So auch über die Botschaft, die die Journalistin Nina* einst per Brief erreichte: «Sone charmante u liebevolle Schoggibär mitemene schöne Schoggistängu lauft dir so schnäu nid wieder übere Wäg.»

Es gibt aber auch Aussagen, die deutlich unter den Begriff Sexismus fallen. Zwei Expertinnen für Schweizer Anlaufstellen für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wissen, welche. Sie kennen die Kriterien aus dem Effeff.

Als misslungenes Kompliment, aber nicht unbedingt als Sexismus schätzen sie das Erlebnis der Journalistin Alice* ein. Als sie gegen Abend die Zitate für einen Artikel dem Zitatgeber zum Gegenlesen gibt, erhält sie die Antwort: «Also eigentlich habe ich schon Feierabend, aber bei einer solch schönen Frau lese ich die Zitate gerne noch gegen.»

Das sei zwar ein Kompliment, aber fehl am Platz, sagt Antonella Bizzini, Leiterin der Anlaufstelle «Frau+Arbeit». Es sei eine Aussage mit einem Machtgefälle und keine Aussage auf Augenhöhe: «Die Aussage ist nicht zum Nutzen der Journalistin. Die Äusserung lässt ihn – vermeintlich – als Mann dastehen, der einer schönen Frau einen Gefallen tut.»

Das Gegenlesen erfolge aufgrund ihres Aussehens und nicht wegen der beruflichen Qualifikation. Sexismus also.

Szenenwechsel: Bei einer Livemoderation bekam Manuela* zu hören: «Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin da, wenn etwas schiefgeht.» Hier komme es auf den Kontext an, sagt Bizzini zu dieser Situation. «Falls es die erste Livemoderation war, könnte das als Hilfestellung ohne Hintergedanken gemeint sein.»

Wichtig sei die Frage, ob die Person dies zu einem Mann sagen würde. Denn das ist ein wichtiges Merkmal von Sexismus. Es geht immer um die «Diskriminierung im geschlechtlichen Kontext».

«Sie gehören vor und nicht hinter die Kamera»

So lautet die Interpretation des Satzes, den sich Louisa* anhörte. Sie knipste für eine Reportage Fotos, als sie gefragt wird: «Was machen Sie überhaupt hier? Sie gehören vor und nicht hinter die Kamera.»

Das sei eine klar sexistische Aussage, so die Expertin. Sie lautet: «Als Frau hast du keine Fähigkeiten, gute Fotos zu machen.» Es liege deshalb ein Verhalten mit sexuellem Bezug vor.

Die persönlichen Grenzen von Louisa* werden hier missachtet, äussert sich Susanne Nef zu dem Fall von Sexismus. Sie ist Leiterin der Fachstelle Gleichstellung in Zürich und ergänzt: «Ausschlaggebend ist immer das Empfinden der belästigten Person und nicht die Absicht der belästigenden Person.»

Bist du einer Frau schon mal zur Hilfe geeilt?

Deshalb könne die Frage, ob eine Belästigung vorliege, nicht im Allgemeinen beantwortet werden. Dennoch sei in jeder Situation Vorsicht geboten: «Die Relativierung von als Humor verpacktem sexistischem Verhalten kann ein Nährboden sein. Sie legt einen Nährboden für eine Unternehmenskultur, die übergriffiges Verhalten begünstigt. Dasselbe gilt für ein vermeintliches Kompliment.»

Sexismus führt zur fristlosen Entlassung

Zu weitreichenden Konsequenzen könne laut Nef das Ereignis von Lisa* führen. Als ein Kunde gefragt hatte, ob er aufs WC könne, sagt sie im Witz «Nein». Später bekam sie einen Zettel in die Hand gedrückt mit der privaten Nummer und dem Satz: «Ich bin gespannt auf die Strafe

Bizzini dazu: «Das ist einfach nur geschmacklos.» Auch wenn die Frau einen schlechten Witz gemacht habe, rechtfertige dieser diese Reaktion nicht. Der Zettel konfrontiere die Frau mit der sexuellen Fantasie des Mannes, weswegen dies als Belästigung zu werten sei.

«Geschmacklos» sei auch das Erlebnis von Elena*. Nachdem diese ihre Arbeitsstelle gekündigt hatte, schnitten ihr zwei Mitarbeiter den Weg ab mit den Worten: «Sie ist zurück, ich halte sie fest, hol du die Peitsche.»

Auch hier werde die Frau mit einem Verhalten konfrontiert, das in eine sexuelle Richtung gehen könne.

Bea* wiederum erlebte eine sexuelle Belästigung, als sie am Morgen mit den Worten Bezug nehmend auf die Oberweite begrüsst wurde: «Wie geht es euch heute?»

All die Sätze würden verdeutlichen, wie «vielfältig sich sexuelle Belästigung im Berufsumfeld» zeigen könne. «Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann zudem von Mitarbeitenden, Vorgesetzten oder Kundinnen und Kunden ausgehen», sagt Nef.

Hast du als Mann in diesem Artikel etwas gelernt?

Das Thema Sexismus am Arbeitsplatz müsse unbedingt systematisch angegangen werden. Und für Arbeitgebende sei es zentral, die Prävention anzugehen.

«Dies verdeutlichen auch wissenschaftliche Erkenntnisse und liegt in der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden nach Gleichstellungsgesetz.» Um Arbeitgebende darin zu unterstützen, bieten die Fachstellen Gleichstellung hierzu auch Angebote an.

* Namen der Redaktion bekannt.

Brachst du Hilfe?

Bist du Opfer sexualisierter Gewalt geworden? Die Opferhilfe hilft dir dabei, die Erfahrung zu bewältigen, und informiert dich über deine Rechte und weitere Schritte: www.opferhilfe-schweiz.ch.

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