Angst

«Ich muss einfach»: Kaufsüchtige erklärt Angst vor dem Black Friday

Alexander König
Alexander König

Bern,

Neues kaufen, dieses fast nicht benutzen, weiter kaufen: Besonders am Black Friday wird dieses Verhalten zur Falle. Experten warnen vor den Folgen.

black friday
Auch dieses Jahr werden viele am Black Friday zuschlagen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Lou R.* kauft unkontrolliert Dinge ein, die sie gar nicht benötigt.
  • Damit ist sie nicht alleine: Hunderttausende Schweizer sind kaufsüchtig, so Suchtexperten.
  • Der nahende Black Friday: brandgefährlich für viele.

Mehrere Tausend Franken hat Nau.ch-Leserin Lou R.* in den vergangenen Monaten für Elektrogeräte ausgegeben. «Inzwischen kann ich fast jede Lampe in meiner Wohnung mit meinem Smartphone ansteuern.»

Die Farben lassen sich sogar im Rhythmus der Musik verändern. «Wenn ich Gäste habe, schalte ich meine neue Nebelmaschine an. Sie bringt die Lichter noch besser zur Geltung.»

Für den Couch-Tisch hat sich Lou einen mobilen Staubsauger im Handformat gegönnt. Ihr Rücken wird von einer elektrischen Sitzauflage massiert. Und ihr Fernseher lässt sich auf Knopfdruck um 90 Grad rotieren. «Das bringt mir immerhin etwas, spart Platz.»

Lou blickt gedanklich durch die Wohnung: «Überall stehen Pakete mit weiteren Gadgets. Ich öffne sie nicht, weil ich sie eigentlich zurückbringen will.»

Black Friday
Der Black Friday naht – und damit für viele Schweizer das Risiko, sich zu verschulden. - keystone

Das Problem: Selten schafft sie es. Und obschon sie die meisten Dinge nicht benötigt, shoppt sie wenige Tage oder Wochen später munter weiter. «Ich bin völlig impulsiv, weiss gar nicht, wie mir geschieht!»

Viele Käufe bereut sie. «Wenn ich etwas kaufe, macht mir das unglaublich Spass. Aber im Nachhinein schmerzt es im Portemonnaie.»

Hast du dein Kaufverhalten im Griff?

Kaufsüchtige fürchtet den Black Friday

Morgen Freitag ist Black Friday, und Lou zittert: «Aktionspreise machen mich besonders schwach. Ich habe immer das Gefühl: Ich muss es einfach kaufen. Aber ich habe mir vorgenommen, mich dieses Jahr zurückzuhalten.»

Doch wie schafft sie das? Und ist Lou kaufsüchtig? «Ich glaube schon», sagt Lou selbst.

Die auf Sucht spezialisierte Stiftung «Berner Gesundheit» erklärt auf Anfrage von Nau.ch: Ohne ein persönliches Gespräch wolle man keine Diagnose stellen. Dennoch sei bei Lou ein klarer Leidensdruck erkennbar.

Black Friday für fast eine halbe Million Schweizer gefährlich

Aktionstage wie der Black Friday könnten brandgefährlich sein, auch für die rund fünf Prozent aller Schweizer, die definitiv kaufsüchtig sind. «Grossangelegte Rabatttage befeuern problematisches Verhalten. Rabatte erzeugen Druck und verstärken den Drang zum Kaufen», so eine Sprecherin.

Diese Dynamik wird oft durch das Phänomen FOMO – die «Fear of Missing Out» verstärkt. Das heisst so viel wie: die Angst, etwas zu verpassen.

«Das kann einen richtigen Rausch auslösen. Gleichzeitig ist es fast unmöglich, sich den vielen Werbungen und Angeboten zu entziehen.»

Digitale Abstinenz als Lösung: Keine Lösung

Was können Lou und andere Betroffene also tun? Die Expertin rät: «Am besten wäre es, sich sowohl digitalen als auch physischen Angeboten zu entziehen.»

Das sei jedoch schwierig, da der Black Friday mittlerweile fast einen Monat dauere. «Das macht es nahezu unmöglich», gibt sie zu.

Hilfe könnten Einkaufslisten bieten. «Mit einer Liste kaufen wir gezielt nur das, was wir wirklich benötigen», empfiehlt die Berner Gesundheit.

Fast zwei Millionen Schweizer shoppen risikoreich

Während rund fünf Prozent der Schweizer kaufsüchtig sind, zeigen Erhebungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) von 2019: Ganze 20 Prozent zeigen ein risikoreiches Einkaufsverhalten. Die Mediensprecherin betont: «Im Vergleich zu anderen Verhaltenssüchten sind das hohe Zahlen.»

Konsum werde in unserer Gesellschaft grundsätzlich positiv wahrgenommen, weshalb übermässiges Kaufen oft nicht direkt auffalle. «Das führt dazu, dass Hilfe oft zu spät kommt.»

Darüber hinaus seien Online-Plattformen so gestaltet, dass sie die Nutzer möglichst lange auf ihren Seiten halten. «Das begünstigt Risikoverhalten und damit auch die Entwicklung von Suchtverhalten», warnt sie.

Es sei Aufgabe der Behörden, hier einzugreifen. «Bislang gibt es kaum Schranken gegen solche manipulativen Techniken. Unternehmen werden nicht ausreichend in die Verantwortung genommen.»

Immerhin: Laut einer Studie reizt der Black Friday wegen Anbietern wie Temu und Shein viele Kunden weniger. Doch ob die Sucht nach Billigwaren besser ist?

Kommentare

User #2418 (nicht angemeldet)

Dank neuem Layout ist hier nicht mehr viel los.

User #5681 (nicht angemeldet)

Kaufsüchtige sollten einfach einen job im Handel haben. Ich meine, wer Kinder liebt arbeitet schliesslich auch mit Kinder usw.

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