Obwohl sie gerade erst ihr Studium begonnen haben, unterrichten einige Studis bereits. Ein Phänomen, das mit dem Lehrermangel zunimmt – und in Kritik gerät.
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Das Interesse an Studiengängen an den Pädagogischen Hochschulen ist gross. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr PH-Studierende arbeiten bereits früh an einer Schule.
  • In Bern arbeiten bereits 12 Prozent der Studis im ersten Jahr als Lehrer.
  • Ein Experte warnt: Frühes Unterrichten schadet der Ausbildung und dem Schulunterricht.
  • Heute beginnt unter anderem in Bern, Basel und St. Gallen die Schule wieder.
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Heute Montag ist in rund der Hälfte der Kantone Schulstart. Nach wie vor mangelt es in vielen Schulen an Lehrerinnen und Lehrern. Das führt dazu, dass einige Studierende bereits von Tag eins ihrer Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule (PH) unterrichten.

Eine nationale Statistik gibt es dazu nicht, das Bildungswesen ist kantonal geregelt. Mehrere Kantone bestätigen aber das Phänomen.

Die Bildungsdirektion des Kantons Aargau führt zum Beispiel bei Nau.ch aus, dass PH-Studierende «bereits sehr früh» damit beginnen, in Teilzeit zu arbeiten oder Stellvertretungen zu übernehmen.

Ohne fertige Ausbildung gibts weniger Lohn

«PH-Studierende gelten im Aargau ab dem ersten Studientag als teilqualifiziert», erklärt eine Sprecherin. «Sie haben somit einen Lohnabzug von fünf Prozent bis zu ihrem Ausbildungsabschluss».

Schule
Immer mehr PH-Studierende arbeiten bereits früh an einer Schule.
PH Bern
In Bern arbeiten bereits 12 Prozent der Studis im ersten Jahr als Lehrer.
Schule
Ein Experte warnt: Frühes Unterrichten schadet der Ausbildung und dem Schulunterricht.

Im Kanton Bern etwa erhalten PH-Studierende, die sich in der ersten Hälfte des Studiums befinden, sogar 20 Prozent weniger Gehalt.

Doch wie viele Auszubildende betrifft das genau?

Im Kanton Bern gibt es Zahlen dazu, wie viele Studis bereits von Beginn weg als Lehrerin oder Lehrer tätig sind. Die PH Bern verweist auf eine zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführte Umfrage.

Kanton Bern: 12 Prozent der Studis arbeiten in erstem Studienjahr

«Gemäss den Zahlen von Anfang 2023 waren 102 Studierende bereits im ersten oder zweiten Studiensemester an einer Schule tätig. Dies entspricht 12 Prozent aller damals befragten Studierenden», sagt PH-Bern-Sprecher Marcel Marti gegenüber Nau.ch.

Es habe schon immer Studierende gegeben, die bereits während des Studiums als Lehrperson gearbeitet haben. Aber: «Deren Anteil hat mit dem Lehrpersonenmangel und den zunehmend flexiblen Studiengängen an der PH Bern in den letzten Jahren zugenommen.»

Könntest du dir vorstellen, als Lehrperson zu arbeiten?

Das bestätigt auch die PH der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch AG. Sie erhebt zwar keine Zahlen, wie viele ihrer Studierenden bereits in einer Schule unterrichten. «Die Erfahrung zeigt jedoch, dass zahlreiche Studierende diese Option wählen.»

Ohne Studis geht an Schweizer Schulen nichts

Marcel Marti von der PH Bern erklärt: Der Entscheid für eine Anstellung fällt unabhängig von einer Einschreibung an der PH und liegt bei der kantonalen Anstellungsbehörde.

Ein Bildungsexperte ordnet die Folgen dieser Praxis gegenüber Nau.ch ein.

Das Schulsystem sei auf diese Studierenden angewiesen, sagt Stefan Wittwer, Geschäftsführer des Berufsverbandes der Lehrpersonen und Schulleitungen «Bildung Bern». «Ohne Studierende würde der Schulbetrieb überhaupt nicht mehr funktionieren, ganz klar. Der Lehrpersonenmangel ist zu gross.»

Stefan Wittwer
Stefan Wittwer ist Geschäftsführer von «Bildung Bern». - keystone

Und er betont: «Lieber angehende Studierende in der Schule als Personen gänzlich ohne pädagogischen Hintergrund.» Gleichzeitig können die angehenden Lehrerinnen und Lehrer dadurch früh viel Praxiserfahrung sammeln.

Wittwer sagt aber auch: «Längerfristig darf es nicht so bleiben, dass bereits anfangs Studium längere Unterrichtseinsätze geleistet werden.» Die Studierenden sollten zu Beginn ihres Studiums genügend Zeit für begleitete Praktika und deren Reflexion haben.

Er mahnt: «Die Studierenden sollen in schwierigen Situationen nicht alleine gelassen werden, nicht alleine unterrichten müssen.» Wenn sie zu früh in zu herausfordernde Situationen geraten, können die Studierenden nicht angemessen reagieren.

Experte: «Schlecht für die Ausbildung und schlecht für Unterrichtsqualität»

Oft fehle die Zeit, um diese Situationen dann mit einer erfahrenen Praxislehrperson zu reflektieren. «Das hat Einfluss auf die Motivation und auf die Gesundheit der Studierenden», sagt er.

«Zudem ist es schlecht für die Ausbildung, wenn sie zur anstrengenden und lästigen Nebenbeschäftigung wird. Das schadet der Qualität der Ausbildung», warnt er.

Das wirkt sich dann auch negativ auf die Unterrichtsqualität aus, wie Stefan Wittwer von «Bildung Bern» erklärt: «Die Belastungssituation und die Gesundheit der Lehrpersonen wirkt sich auf den Lernerfolg der Kinder aus. Wenn die Ausbildung zur lästigen Nebensache verkommt, wegen der Doppelbelastung, hat das Einfluss auf die Ausbildungsqualität.»

Bist du gerne zur Schule gegangen?

Dazu komme: Überlastung und Frust können zu langfristigen Problemen führen. «Im schlimmsten Fall könnten die Studierenden so den Lehrerjob zu früh aufgeben.»

Auch die PH Luzern zeigt sich gegenüber Nau.ch kritisch: «Die PH Luzern rät Studierenden im ersten Studienjahr davon ab, sich von Schulen anstellen zu lassen.»

Denn: Der erste Teil der Ausbildung diene als «Eignungsabklärung» für den Lehrerberuf, heisst es aus Luzern. Werden danach die Kompetenzen als ausreichend eingestuft, sei man aber ab dem zweiten Ausbildungsjahr gegenüber Teilanstellungen «nicht verschlossen».

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