In Zug sollen Menschen mit Behinderung abstimmen dürfen
Der Kanton Zug diskutiert darüber, Menschen mit geistiger Behinderung oder einem Beistand abstimmen zu lassen. An der Forderung scheiden sich die Geister.

Das Wichtigste in Kürze
- Erst in zwei Kantonen wurde das Wahl- und Stimmrecht auf behinderte Menschen ausgeweitet.
- Nun diskutiert auch der Kanton Zug darüber, doch das Thema polarisiert.
Schweizerinnen und Schweizer dürfen mit 18 Jahren abstimmen. Doch die Bundesverfassung sieht für politische Rechte eine Ausnahme vor. Wer «wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt» ist, dem werden seine Rechte vorenthalten.
Brisant: Damit verstossen die Kantone wie auch die Schweiz gegen Völkerrecht. Denn 2014 trat die Uno-Behindertenrechtskonvention in der Schweiz in Kraft.
Darin hat sich die Schweiz, zusammen mit anderen Ländern, zu folgendem verpflichtet: Menschen mit Behinderung gegen Diskriminierung zu schützen oder ihre Gleichstellung zu fördern.
Explizit ein Teil dieser Konvention dreht sich auch um das Thema politische Rechte. Es heisst darin nämlich: «Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu geniessen.»
Dieser Forderung will nun offenbar der Kanton Zug nachkommen. Nach einer Motion von Mitte- und ALG-Kantonsräten sollen Menschen mit Behinderung ab 2026 ihre politischen Rechte nicht länger vorenthalten werden. Betroffen wären davon 93 Zugerinnen und Zuger, berichtet unter anderem «Zentralplus».
Beim Stimmrecht für geistig beeinträchtigte Menschen scheiden sich die Geister
Das Online-Portal berichtet, dass der Fall zwar rechtlich klar sei. Doch politisch scheiden sich im Kanton Zug zu dem Thema offenbar die Geister.
Das zeige der Bericht der vorberatenden Kommission. Dort wurde die Vorlage nämlich nur äusserst knapp angenommen – mit acht zu sieben Stimmen.
Die Minderheit – wie auch einige Zuger Gemeinden im Rahmen der Vernehmlassung – plädierten dafür, jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Person fähig genug für eine Abstimmung oder Wahl sei. Einschätzen sollte das jeweils die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB).
Diese prüfe bereits heute, ob und in welchem Umfang ein Beistand nötig ist. Nebst der Prüfung wollte eine Minderheit der Kommission das Vorhaben offenbar auch ganz kippen.
Denn es gibt derzeit entsprechende Bestrebungen auf Bundesebene. Im Oktober 2024 hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrats – ebenfalls äusserst knapp – eine Kommissionsmotion beschlossen. Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion.
Die Befürworter – und damit die Mehrheit – gaben an, dass der Kanton Zug innovativ vorangehen und seinen Verpflichtungen nachkommen solle. «Um die Gleichberechtigung und Teilhabe aller zu fördern, sei ein vorübergehender Mehraufwand gerechtfertigt», heisst es.
Ausserdem wurde angemerkt, dass letztlich die Zuger Stimmbevölkerung über die Rechte entscheiden, und die Diskussion nicht schon vorher abgeklemmt werden solle. Als Nächstes wird sich nun der Zuger Kantonsrat damit beschäftigen. Und gegen Oktober oder November allenfalls noch die Zuger Stimmbevölkerung.
Genf und Appenzell Innerrhoden nehmen Vorreiterrolle ein
Seit über zehn Jahren sollten geistig behinderte Menschen oder Menschen mit einem Beistand in der Schweiz ebenfalls ein Wahl- oder Abstimmungscouvert erhalten. Das ist bis heute nicht der Fall – zumindest in den meisten Kantonen.
Bereits abstimmen können Menschen mit Behinderung jedoch Genf. Die dortige Stimmbevölkerung hat eine entsprechende Änderung Ende November 2020 angenommen – mit einer Mehrheit von 75 Prozent.

Vor rund einem Jahr hat ausserdem ausgerechnet die Landsgemeinde des Kantons Appenzell Innerrhoden – der Kanton, der als letzter das Frauenstimmrecht einführte – eine entsprechende Änderung befürwortet. Die neue Verfassung tritt dort voraussichtlich 2027 in Kraft.
Ausserdem gibt es Bestrebungen in Luzern, wo vor zwei Jahren eine kantonale Volksinitiative lanciert wurde.