Indonesische Inselbewohner verklagen Holcim wegen Klimaschäden
Vier Bewohnerinnen und Bewohner der vom Klimawandel bedrohten indonesischen Insel Pari haben Zivilklage gegen den Schweizer Baustoffkonzern Holcim eingereicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Vier Bewohner der Insel Pari in Indonesien haben Zivilklage gegen Holcim eingereicht.
- Sie machen den Zementhersteller für Klimaschäden ihrer Umwelt verantwortlich.
- Es müsste sich erstmals ein Schweizer Unternehmen für den Klimawandel verantworten.
Sie machen den Zementhersteller in einem Schweizer Präzedenzfall vor Gericht für Klimaschäden in ihrer Umwelt verantwortlich und fordern Entschädigungen. «Wegen des Klimawandels steigt der Meeresspiegel, und bei Stürmen wird unsere flache Insel zunehmend überschwemmt», hiess es an einer Online-Medienkonferenz des Hilfswerks Heks vom Mittwoch, bei der sich auch die Betroffenen in Indonesien zu Wort meldeten.
Der Klimawandel bedrohe die Existenz aller 1500 Menschen, die auf Pari nordwestlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta lebten. So habe die Insel in elf Jahren elf Prozent ihrer Fläche verloren. Auch hätten die Fluten Konsequenzen auf das Einkommen.
Holcim sei einer der 50 grössten CO2-Emittenten aller Unternehmen weltweit und trage daher einen massgeblichen Teil der Verantwortung an den Folgen des Klimawandels, sagte Nina Burri, Fachverantwortliche Unternehmen und Menschenrechte bei Heks. Erstmals soll sich nun ein Schweizer Unternehmen für seine angebliche Rolle beim Klimawandel vor Gericht verantworten. Man wolle, dass die Verantwortlichen endlich handeln.
Hauptforderung der Klage sei, dass Holcim die absoluten CO2-Emissionen im Vergleich zu 2019 bis 2030 um 43 und bis 2040 um 69 Prozent reduziere, sagte Burri weiter. Zudem verlangen die Klägerinnen und Kläger von Holcim eine anteilsmässige Entschädigung und Geld für Flutschutzmassnahmen, da sie ihre Existenz auf der Insel bedroht sehen. Pro Kopf fordern die vier Personen 3600 Franken, wie es vor den Medien hiess.
Klimaschutz habe für Holcim oberste Priorität
Konkret machen die Kläger eine Persönlichkeitsverletzung aufgrund des «übermässigen CO2-Ausstosses» durch Holcim geltend. Die Klage wurde am Montag beim Zuger Kantonsgericht eingereicht. Zuvor war es im Oktober 2022 zu einer Schlichtungsverhandlung ohne Einigung gekommen. Man stelle sich bei diesem Präzendenzfall auf ein langes Verfahren ein, sagte Burri.
Holcim wies die Forderungen zurück. Gerichtsverfahren, die sich auf einzelne Firmen konzentrierten, seien kein wirksamer Mechanismus, um die globale Komplexität des Klimaschutzes zu bewältigen, teilte der Konzern der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage mit.
Der Klimaschutz habe für Holcim höchste Priorität und stehe im Mittelpunkt der Strategie des Unternehmens, schrieb der Konzern in seiner Stellungnahme. Holcim verfolge einen «wissenschaftlich fundierten Ansatz» mit Netto-Null-Zielen der Branche, die in Einklang mit dem 1,5-Grad-Pfad stünden. Fast alle Staaten der Erde bekräftigten 2015 in Paris das Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt mit Massnahmen auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Breite Unterstützung
Die Insel Pari wurde den Angaben zufolge im letzten Jahr von fünf Fluten heimgesucht. Die Kläger verweisen gleichzeitig auf eine Studie des Interessenverbands Global Climate Forum, wonach Schäden auf Pari nachweislich durch die Klimaerwärmung verursacht worden seien. Der höchste Punkt der Insel liegt 1,5 Meter über dem Meeresspiegel.
Unterstützt werden die Insulaner in dem Rechtsstreit vom Schweizer protestantischen Hilfswerk Heks, dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) und der indonesischen Umweltorganisation Walhi. Die Klimaklage ist Teil der Kampagne «Call for Climate Justice» (deutsch: Ruf nach Klimagerechtigkeit).
Das Hilfswerk Heks kritisiert die Klimapläne von Holcim mit den Worten «zu wenig und zu spät». Es zweifelt nach einer Analyse an der Wirksamkeit und teils an der technischen Realisierbarkeit. Zudem gebe sich Holcim mehrheitlich relative Emissionsziele, also eine Verringerung des CO2-Ausstosses pro Tonne Zement. Insgesamt habe das Unternehmen von 1950 bis 2021 7,15 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt.