Liebe

Jedes zehnte Paar lebt getrennt: «Könnte Beziehungen retten»

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Ständerat Simon Stockers Wohnmodell ist ihm zum Verhängnis geworden. Dabei kommen separate Wohnungen in einigen Beziehungen vor. Ein Coach gibt Einblicke.

Beziehungen
Manche Menschen wohnen trotz Beziehung lieber alleine. - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Ständerat Simon Stocker kritisiert ein Gerichtsurteil im Hinblick auf sein Familienmodell.
  • Die Symbolik des Urteils schockiert Beziehungscoach Esther Bischofberger.
  • Unabhängigkeit spielt laut Bischofberger in Beziehungen heute eine grosse Rolle.

Eine Wohnsitz-Affäre kostet Simon Stocker das Amt. Nach einem Urteil des Bundesgerichts muss der Schaffhauser SP-Ständerat zurücktreten.

Grund dafür ist, dass er zum Zeitpunkt seiner Wahl in der Stadt Schaffhausen angemeldet war. Seinen Lebensmittelpunkt hatte er aber in der Stadt Zürich.

Als Stocker in den Ständerat gewählt wurde, lebte er mit seiner Frau und seinem Sohn in einer Wohnung in Zürich. Seine Frau ist aus beruflichen Gründen auf die Wohnung in Zürich angewiesen. Stocker selbst hatte gleichzeitig eine Wohnung in Schaffhausen. Dort war er auch angemeldet.

«Der Kern des Urteils ist eine Absage an ein gleichberechtigtes Familienmodell», kritisierte der 43-Jährige.

Gründe für Beziehungen mit getrennten Wohnungen

Getrennte Wohnungen kommen auch in anderen Beziehungen vor. Rund jede zehnte Person ab 25 Jahren in einer Partnerschaft wohnt alleine. 13 Prozent dieser Paare sind laut dem Bundesamt für Statistik verheiratet.

23 Prozent der Personen in einer längeren Beziehung wählten dieses Modell hauptsächlich aus beruflichen Gründen. Die Wahrung der Unabhängigkeit ist bei rund 20 Prozent der Grund. In anderen Fällen wohnen Paare wegen der familiären Situation eines oder beider Partner nicht zusammen.

Könntest du dir getrennte Wohnungen vorstellen?

Rund die Hälfte braucht höchstens eine halbe Stunde bis zur Wohnung der Partnerin oder des Partners. Jeder Zehnte benötigt drei Stunden oder mehr, um die Partnerin oder den Partner zu besuchen. Bei einem Drittel davon dauert es sogar mehr als zehn Stunden.

Beziehungscoach Esther Bischofberger stehen bei Simon Stockers Gerichtsurteil die Haare zu Berge. Die Symbolik dieses Urteils habe sie schockiert, sagt sie zu Nau.ch. «In der Schweiz wird das traditionelle Beziehungsmodell mit dem Schwert verteidigt.»

«Ich gehe nach Portugal wohnen»

In ihrer Praxis in Zürich und Winterthur berät Bischofberger Klienten vom Gärtner bis zur Bankerin. «Getrennte Haushalte sind zwischen 20 und 40 Jahren und dann wieder ab 60 Jahren interessant.»

Die Gesellschaft sei heute individualistisch geprägt, stellt Bischofberger fest. «Sich zu Hause verwirklichen zu können, ist in Beziehungen deshalb vermehrt ein Bedürfnis.»

So wolle die Partnerin oder der Partner etwa nicht auf das gemeinsame Abendessen Rücksicht nehmen. «Stattdessen will man vielleicht um 20 Uhr lieber noch etwas für den Job erledigen.»

Bischofberger beobachtet dieses Bedürfnis insbesondere auch bei Frauen in CEO- oder Managerpositionen.

Diese sagten ihrem Partner klipp und klar, dass sie getrennte Haushalte vorzögen. Diese wohnten Montag bis Mittwoch arbeitsbedingt vielleicht in Berlin. «Den Rest der Woche wollen sie zu Hause in ihrer Single-Wohnung verbringen.»

Manche Paare kommen aber auch im Alter auf den Geschmack. «Dann sagt der Mann oder die Frau plötzlich: ‹Ich gehe nach Portugal wohnen›.» Gerade, wenn die Kinder ausgeflogen seien, entstehe bei manchen Paaren das Bedürfnis nach getrennten Wohnungen.

Beziehungen in der Krise

Das BFS schätzt, dass sich zwei von fünf Ehepaaren künftig scheiden lassen, wenn das heutige Scheidungsverhalten gleich bleibt. «Getrennte Haushalte hätten wohl manche Beziehung gerettet», sagt Esther Bischofberger.

Das Modell empfiehlt sie deshalb manchmal auch Paaren, die in einer Krise sind. «Die Distanz kann dazu führen, dass sich Partnerin und Partner wieder interessant finden.»

Dies sei aber nicht in jedem Fall die Lösung für eine Ehekrise. Getrennte Haushalte seien in Beziehungen teuer. «Deshalb können sich dies nur Paare mit entsprechendem finanziellem Background leisten.»

Auch sei nicht jeder Mensch für diese Beziehungsform geschaffen. Diese verlange viel Stärke und Selbstbewusstsein, um dem Gegenüber zu vertrauen. «Partnerinnen und Partner, die es schon kaum aushalten, in getrennten Zimmern zu schlafen, werden eher Mühe damit haben.»

Kommentare

User #3387 (nicht angemeldet)

Ab wann genau, ist denn eine Beziehung, eine Beziehung??!!?? Und in welcher Art oder Konsens steht sie denn?

User #2543 (nicht angemeldet)

kein geld für kinder dafür für hobbies...

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