«Kaum eine Frau»: Fahren nur Männer 1. Klasse im Zug?
Eine Nau.ch-Leserin fühlt sich, als wäre sie fast die einzige Frau, die 1. Klasse fährt. Stimmt das Gefühl? Gewissermassen schon – Nau.ch hat Zahlen dazu.
Das Wichtigste in Kürze
- In der 1. Klasse habe es nur Männer, beobachtet Nau.ch-Leserin Monika B.*
- Tatsächlich sind nur 37 Prozent der 1.-Klasse-GA-Besitzenden Frauen.
- Dies ist vielleicht auf die beruflichen Positionen von Mann und Frau zurückzuführen.
Monika B.* (40) fährt regelmässig Zug. Die Zürcherin pendelt für den Job nach Bern. Weil sie auch privat nicht Auto fährt, besitzt sie ein GA der 1. Klasse. «Ich fahre regelmässig mit dem Zug durch die halbe Schweiz», sagt sie.
Was ihr dabei immer wieder ins Auge sticht. «In der 1. Klasse hat es oft nur Männer – die meisten über 40», sagt sie zu Nau.ch. «Egal, um welche Zeit und an welchen Ort ich im Zug fahre. Da sitzt kaum je eine Frau im Abteil.» Monika wundert sich: «Das sieht ja aus wie früher, aus einer vergangenen Zeit.»
Nur 37 Prozent aller 1.-Klasse-GA-Besitzenden sind Frauen
Hat es wirklich weniger Frauen in der teureren 1. Klasse? Ja, wie die Zahlen von Alliance SwissPass zeigen.
Laut Mediensprecherin Susanna Wittwer Klingler waren im Dezember 2023 insgesamt rund 39'600 1.-Klasse-GA im Umlauf. Davon waren 37 Prozent im Besitz von Frauen und 63 Prozent im Besitz von Männern: Das entspricht einem Verhältnis von ungefähr einem zu zwei Dritteln.
Doch woher kommt diese grosse Geschlechterlücke? Christoph Wydler, Mediensprecher der «Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Schweiz» (IGöV), vermutet, dass es etwas mit den beruflichen Positionen von Männern und Frauen zu tun habe. Die IGöV setzt sich für einen qualitativen öffentlichen Verkehr ein.
«Menschen mit einem 1.-Klasse-GA verdienen oftmals gut und sind in höheren Abteilungen von Firmen», sagt Wydler. Und höhere Positionen seien bekanntlich ja häufiger von Männern besetzt. «Männer besitzen allgemein in der Gesellschaft mehr Geld als Frauen. Das zeigt sich dann natürlich auch bei den teuren GAs.»
Laut «Pro Familia» sind tatsächlich nur 33 Prozent der Führungspositionen in der Schweiz von Frauen besetzt: Das Verhältnis beträgt eins zu drei. Wydlers Theorie scheint insofern also bestätigt.
Noch vor vier Jahren, also 2020, waren genau 33 Prozent der 1.-Klasse-GA-Besitzenden weiblich. 2021 stieg die Prozentzahl auf 35 und heute sind es 37 Prozent. Die Zahlen zeigen also auf, dass eine leichte Verschiebung hin zu mehr Frauen in der 1. Klasse stattgefunden hat.
Diese Verschiebung erklärt sich Wydler folgendermassen: «Ich könnte mir vorstellen, dass Homeoffice nach Covid wieder etwas zurückgegangen ist. Die Firmen wollten vielleicht ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen neuen Anreiz geben, wieder ins Büro zu kommen. Vielleicht haben diese vermehrt 1.-Klasse-GAs herausgegeben.»
* Name von der Redaktion geändert