Kitas bekommen bissige Kids nicht in Griff – die Gründe
Das Kind eines Nau.ch-Lesers wird viermal gebissen – die Kita habe es «nicht im Griff». Eine Betreuerin sagt, eine 100-prozentige Sicherheit sei «unmöglich».
Das Wichtigste in Kürze
- Das Baby eines Nau.ch-Lesers wird in der Kita viermal gebissen.
- Kein Einzelfall: Im Alter bis drei Jahre beissen Kinder oft zu.
- Dass in der Branche Personal fehlt, macht die Aufsicht «nicht immer einfach».
Mehr als ein Drittel der Kinder gehen laut Bund in die Kita, meist ab drei Monaten bis zum Kindergarten. Die Kinder sind also noch sehr klein.
Ein Problem, das die Betreuungspersonen vor Ort immer mal wieder haben: In dem Alter beissen Kinder gerne zu. Und in der Branche fehlt Personal – das kann die Situation zusätzlich erschweren.
So passiert ist das dem Baby von Nau.ch-Leser Kevin Nufer*. Seine Tochter ist gut ein Jahr alt und kann entsprechend noch nicht davonrennen.
«Meine Tochter wurde inzwischen schon viermal gebissen», sagt Nufer. Er glaubt, dass es immer dasselbe Kind ist.
Für ihn ärgerlich. «Die Kita hat es nicht im Griff.»
«Das Problem komplett in den Griff zu bekommen, ist unmöglich»
Kein Einzelfall: Nau.ch ist ein weiterer Fall bekannt, wo ein Kleinkind Betreuungspersonen auf Trab hält, weil es ständig zubeisst.
Eine Betreuerin, die anonym bleiben will, sagt: «Das ist unglaublich schnell passiert. Man müsste das Kind jede Sekunde im Blick halten, aber dafür bräuchte es Eins-zu-Eins-Betreuung.»
Aber das könnte man nicht zahlen.
Und: «Wenn du 100-prozentige Sicherheit willst, bräuchte es soziale Isolation – kurz: Das Problem komplett in den Griff zu bekommen, ist unmöglich.»
Personal fehlt
Auch der Branchenverband für Kinderbetreuung Kibesuisse kennt das Problem.
Einerseits kommt es ab und zu vor, dass kleine Kinder beissen. Sprecher Maximiliano Wepfer sagt zu Nau.ch: «Bei Kindern zwischen ein und drei Jahren ist das häufig Teil der normalen Entwicklung.»
Dahinter stecken etwa das Bedürfnis, die Welt mit dem Mund zu erkunden oder Schmerzen beim Zahnen.
Weitere Gründe: «Kinder lernen durch Beissen, dass eine Handlung eine Reaktion hervorruft. Die dabei erhaltene Aufmerksamkeit kann das Verhalten verstärken.»
Hinzu kommen Umgebungs- und emotionale Einflüsse – Wepfer zählt auf: «Überstimulation, Enge, Stresssituationen, Frustration, Ärger, Anspannung und Angst.»
Andererseits braucht ein Kind, das gelegentlich zubeisst, «aufmerksame Begleitung durch die Betreuungspersonen».
Doch: «Das ist angesichts des akuten Fachkräfte- und Personalmangels in der Branche nicht immer einfach.»
Auch Langeweile kann ein Grund sein
Von einem etwas ungewöhnlicheren Grund für eine Beiss-Attacke berichtet Nau.ch-Leser Damian Aufdenblatten*.
Er erinnert sich: «Mein Sohn hat einmal die Kindergärtnerin in die Hand gebissen. Sie war ausser sich!»
Weil der Sohnemann schon etwas «zu alt» zum Beissen war, schickte die Kindergärtnerin Aufdenblatten kurzerhand mit ihm zur Psychologin.
Es stellte sich heraus: Der Bub biss nur zu, weil er das in einem «Asterix»-Comic gesehen hatte. Dort beisst ein kleiner Junge ständig alle in die Hand.
Das Fazit der Psychologin war schliesslich, er sei im Kindergarten unterfordert – «er machte nur aus Langeweile Unfug».
Kinderbisse können zu Infektionen führen
Meist sind solche Bisse harmlos, wie ein Sprecher des Berner Inselspitals auf Anfrage von Nau.ch erklärt.
«Sie haben selten ernste medizinische oder psychologische Folgen, wie dies beispielsweise bei Hundebissverletzungen der Fall ist.»
Aber: Auch Kinderbisse könnten tiefe Bisswunden verursachen. In diesen schweren Fällen würde die Wunde gereinigt – es kann gar Antibiotika verschrieben werden.
«Zudem wird der Impfstatus des betroffenen Kindes, insbesondere gegen Tetanus, überprüft. Denn die häufigste Komplikation sind Infektionen, die durch Keime der Mundflora übertragen werden.»
Bissigen Kindern werden Konsequenzen erklärt
Und was tun die Kitas, wenn ein Kind gebissen hat?
In dem Fall gilt es laut Wepfer, das gebissene Kind zu trösten und zu versorgen. «Es ist wichtig, dessen Sicherheit zu gewährleisten und ihm Möglichkeiten zu bieten, sich zu erholen.»
Zudem sollte man das Kind, das gebissen hat, zeitnah ansprechen. «In altersgerechter Sprache sollte ihm der Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und den Konsequenzen erklärt werden.»
Die Betreuungspersonen seien angewiesen, das Verhalten zu beobachten und schriftlich festzuhalten. «Das hilft, die möglichen Ursachen zu identifizieren.»
Er betont: All diese Massnahmen sollen das Kind in seiner Entwicklung unterstützen und gleichzeitig das Wohl aller Kinder gewährleisten.
*Name von der Redaktion geändert