Kommt jetzt die grosse Katholiken-Austrittswelle?
Die katholische Kirche wird von Missbrauchs-Vorwürfen überschattet. Gläubige dürften trotzdem nicht austreten – ein Experte erklärt, warum.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein neuer Bericht erhebt weitere Missbrauchsvorwürfe gegen die katholische Kirche.
- Demnach haben Kleriker und Ordensangehörige über 1000 Fälle von Missbrauch begangen.
- Praktizierende Katholiken bleiben trotz den Skandalen treue Mitglieder.
Die römisch-katholische Kirche steht immer wieder wegen Missbrauchs-Skandalen und dem Vertuschen sexueller Übergriffe in den Schlagzeilen. Jetzt sind neue Details bekanntgeworden, die die Institution zunehmend in ein dunkles Licht rücken.
Katholische Kleriker und Ordensangehörige haben in der Schweiz seit 1950 mindestens 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch begangen. Das zeigt eine Analyse von Geheimarchiven kirchlicher Institutionen durch Historikerinnen und Historiker der Universität Zürich (UZH).
Droht der Kirche nun eine Welle von Austritten? Nau.ch hat den Religionswissenschaftler und Sekten-Experten Georg Otto Schmid zu den Auswirkungen des jüngsten Missbrauchs-Bericht befragt.
Treue Katholiken bleiben in der Kirche
Der Experte glaubt trotz allem nicht an eine Austrittswelle aus der katholischen Kirche. Menschen, die ohnehin austreten wollen, werden dies auch tun. «Wer hingegen bewusst katholisch sein möchte, wird in der Kirche bleiben, auch wenn ihm der Skandal weh tut.»
Die Motive der Kirchenaustretenden hätten zudem meist nur wenig mit den Skandalen zu tun. «Die Kirche hat im Leben an Bedeutung verloren. Oft kommen dann noch finanzielle Gründe dazu.»
Viele gläubige Katholiken seien laut Schmid in gewisser Weise sogar froh um den Missbrauchs-Bericht. Er höre von vielen grosse Erleichterung, dass die Probleme nun angegangen und auch hochrangige Täter nicht geschont werden.
Dies sei ein wichtiger Schritt für die Institution. Denn «der Missbrauchsskandal ist für Menschen, die gerne katholisch sind, sehr belastend.»
Dennoch stellt der Religionswissenschaftler klar: «Es handelt sich um eine der schwersten Krisen in der Geschichte der katholischen Kirche.»
Doch ihr sei es bisher immer gelungen, die nötigen Reformen an die Hand zu nehmen. Dies sei nicht die erste problematische Phase, die es zu überstehen gelte.