Kunsthaus Zürich ehrt Niki de Saint Phalle mit Retrospektive
Im Kunsthaus Zürich ist bis am 8. Januar eine Retrospektive der Künstlerin Niki de Saint Phalle zu bestaunen.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Kunsthaus Zürich versucht sich Niki de Saint Phalle in einer Retrospektive anzunähern.
- Die Ausstellung öffnet ihre Tore ab heute bis zum 8. Januar 2023.
- Hierzulande ist sie insbesondere für ihre «Nana» im Hauptbahnhof in Zürich bekannt.
Der Titel der Retrospektive im Kunsthaus Zürich ist schlicht – «Niki de Saint Phalle».
Mehr ist auch gar nicht nötig. Denn mit diesem Namen verbindet nahezu jeder und jede etwas. Er gehört einer der wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhundert.
In der Eidgenossenschaft ist sie insbesondere für Millionen von Reisenden ein Begriff: Denn in der Haupthalle des Zürcher Hauptbahnhof hängt eine übergrosse Skulptur von «Niki de Saint Phalle». Seit 1997 beschützt der Schutzengel «L'ange de protecteur» die Haupthalle des Bahnhofs.
Das Werk von Saint Phalle war ebenso facettenreich, wie die Künstlerin selbst. Genau das möchte das Kunsthaus Zürich mit der Retrospektive aufzeigen. Denn die Künstlerin hat weitaus mehr zu bieten als die unbekümmerte Fröhlichkeit ihrer «Nanas».
Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich präsentiert denn auch rund 100 unterschiedliche Kunstwerke von Saint Phalle. Diese sollen einen Bogen von den frühen Assemblagen bis hin zu ihrer Arbeit im Theater schlagen. In einer Mitteilung beschreibt das Kunsthaus ihr Schaffen als «exzentrisch, emotional, düster und brutal, humorvoll, hintergründig und immer wieder herausfordernd».
Rasanter Aufstieg
Niki de Saint Phalle wurde 1966 über Nacht zur Berühmtheit. Im Moderna Museet in Stockholm schuf sie «die grösste Hure der Welt».
Das Kunstwerk nannte sie mit mütterlicher Liebe so. Sechs Tonnen schwer, 27 Meter lang, und zwischen den Schenkeln ein klaffendes Loch. Durch dieses drangen über 100'000 Menschen in sie ein. Die gewaltige Skulptur wurde die berühmteste der vielen «Nanas».
Doch bereits zuvor machte sie mit einer spektakulären Aktion von sich reden. 1961 schossen Sie und Galeriebesucher in Paris bei einem Happening auf Gipsreliefs, in die Farbbeutel eingearbeitet waren. Diese «Schiessbilder» öffneten ihr bedeutende Museen.
Zu dieser Zeit gehörte sie zur Gruppe der Nouveaux Réalistes, als einzige Frau. Künstler wie der spanische Baumeister Antoni Gaudí, Jackson Pollock, Robert Rauschenberg, Jean Dubuffet, Yves Klein beeinflussten sie. Natürlich tat dies auch Jean Tinguely (1925-1991), den sie seit 1956 kannte und mit dem sie viele Projekte realisierte.
Niki de Saint Phalle oder Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle war die Tochter einer Amerikanerin und eines französischen Aristokraten. Geboren im vornehmen Neuilly-sur-Seine bei Paris. Ihre Jugend verbrachte sie in New York. In dieser Zeit legte sie sich den Vornamen Niki zu.
Mit 18 Jahren heiratete die damalige Klosterschülerin den US-Schriftsteller Harry Mathews. Das Ehepaar trennte sich 1960. Später heiratete sie Jean Tinguely, wodurch sie 1971 das Schweizer Bürgerrecht erhielt.
Mit ihm verband sie vor allem eine lebenslange künstlerische Arbeitsgemeinschaft. Beispielsweise schmückten sie gemeinsam den Strawinsky-Brunnen vor dem Pompidou-Zentrum in Paris mit wasserspeienden Maschinen und grellbunten Monstern.
Kunst als Therapie
Für Niki de Saint Phalle sei die Kunst nach einer schwierigen Kindheit Therapie gewesen. Dies schreibt das Kunsthaus Zürich und beschreibt sie auf ihrem Weg als «stets innovativ, mutig und unabhängig».
Ihre Kunst hingegen als «aggressiv und emotional». In ihrem Schaffen sei das traumatische Erlebnis der sexuellen Gewalt des eigenen Vaters verarbeitet. Auch die belastete und problematische Bindung an die Mutter und ihr eigenes Rollenbild als Frau floss darin ein.
Präsent ist sie nicht nur an den traditionellen Orten der Kunst. Ihr Schaffen findet man auch in Boutiquen und Papeterien – oder eben im Bahnhof.
Den Weg zwischen Kunst und Kommerz habe sie wie keine Kunstschaffende vor ihr zu ihrem Vorteil beschritten. Sie hat ihr Lebenswerk beispielsweise mit einem von ihr kreierten Parfum finanziert. Das mit zwei Schlangen geschmückte Fläschchen schuf sie selbst. Es wurde allerdings bis anhin nicht wieder aufgelegt.
Kunsthaus Zürich stellt die «leisen Töne» ins Rampenlicht
Das Kunsthaus Zürich will nun «den Blick auch auf die leisen Töne im künstlerischen Gesamtwerk» richten. In dem grossen Ausstellungssaal sind halboffene Räume, innen teils dunkelblau, teils weiss ausgekleidet, frei auf der Fläche verteilt. Die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher sollen sich dazwischen und um einen Platz herum bewegen, wie in einem Dorf. Grosse Fenster verbinden das Aussen mit dem Innen.
Gezeigt werden neben Werken der Künstlerin zahlreiche Fotografien. Auf diesen ist Niki de Saint Phalle zu sehen, die auch als Model gearbeitet hatte.
Gezeigt werden im Kunsthaus Zürich zudem Modelle und Fotos, beispielsweise von ihrem «Tarotgarten». Ein fantasievolles Grossprojekt mit von den 22 Karten des Spiels inspirierten Häuser-Skulpturen. Er entstand ab 1978 in Garavicchio, einem versteckten Ort in der Toscana.
«Niki de Saint Phalle» ist eine Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Kuratiert wurde sie von Christoph Becker, der sich mit dieser Ausstellung vom Kunsthaus verabschiedet.