Links und rechts – Experte warnt: «Antisemitismus verschwindet nie»
Seit der Eskalation im Nahen Osten ist der Antisemitismus in der Schweiz präsenter. Das macht einem Historiker der Universität Basel Sorgen.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz hat der Judenhass zuletzt zugenommen.
- Experte Erik Petry zeichnet ein düsteres Bild – der Antisemitismus verschwinde nie.
- Zuletzt war diesbezüglich die linke Seite im Fokus, aber auch rechts gibt es das Problem.
Die Eskalation im Nahen Osten von vor gut einem Jahr hat auch Folgen für westliche Gesellschaften.
Der Antisemitismus hat seither in vielen europäischen Ländern zugenommen. Auch in der Schweiz, wie unter anderem der Antisemitismusbericht 2023 zeigt.
Experte ist pessimistisch – will aber weiterhin kämpfen
In einem Interview mit der NZZ hat der Antisemitismus-Experte Erik Petry über die Situation gesprochen.
Der Mann von der Universität Basel zieht dabei einen historischen Vergleich. Er sagt gegenüber der Zeitung, dass die Schweizer in den 1950er-Jahren grosse Angst vor den Italienern hatten. Diese Angst sei inzwischen verschwunden.
Anders sehe es mit dem Judenhass aus. «Der Antisemitismus? Der verschwindet nie», so das ernüchternde Fazit Petrys.
Dennoch kommt es für den Experten vom Zentrum für Jüdische Studien nicht infrage, aufzugeben. «Es bleibt uns doch gar nichts anderes übrig, als weiterhin gegen den Antisemitismus zu kämpfen», hält er fest.
Petry persönlich hat an der Uni auch bereits Erfahrungen mit antiisraelischen Protesten gemacht. «Meine Lehrveranstaltungen wurden zweimal massiv gestört», erzählt er der NZZ.
Seine Vorlesung sei völlig einseitig, habe jemand geschimpft. Ein Gespräch mit der schreienden Person sei nicht möglich gewesen.
Antisemitismus kommt von links und rechts
Sorgen macht dem Experten, dass der Antisemitismus sowohl von links als auch von rechts kommt.
Zuletzt machte beispielsweise die Juso Schlagzeilen, als sie die teilweise als antisemitisch eingestufte BDS-Bewegung unterstützte. Diesen Entscheid bezeichnet Petry als «sehr unbedacht».
Zur Erklärung: Die Abkürzung BDS steht für «Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen». Das Ziel der Kampagne ist die Isolation des jüdischen Staates, sei es wirtschaftlich oder politisch.
Der Antisemitismus von rechts ist derzeit in der Öffentlichkeit weniger präsent. Darauf angesprochen sagt Petry: «Die jüdische Gemeinschaft weiss, dass diese Gefahr nicht einfach verschwunden ist. Auch wenn diese Form des Antisemitismus derzeit vielleicht weniger sichtbar ist.»
Gegenüber Nau.ch äusserte nach dem BDS-Entscheid der Juso von Mitte Oktober auch Jonathan Kreutner Besorgnis. Der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds sprach von einem «unverständlichen und schockierenden» Entschluss.
Juso weist Antisemitismusvorwürfe zurück
Die Juso selbst wehrte sich gegen die Vorwürfe. Boykotte seien ein gängiges Mittel, um politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen, sagte Präsidentin Mirjam Hostetmann gegenüber der NZZ.
In einem allgemeiner formulierten Statement legte die Jungpartei in der vergangenen Woche nach. Die gegen die Juso erhobenen Antisemitismusvorwürfe weise man zurück. Die Anschuldigungen würden «instrumentalisiert», um «berechtigte Kritik» an der israelischen Regierung verstummen zu lassen.