Livia Anne Richard: «Jeder Mensch soll so sein können wie er ist»

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Bern,

Livia Anne Richard ist Theaterregisseurin mit Stücken wie «flöört.ch», das nun auf dem Gurten gezeigt wird und Romanautorin mit ihrer Anna-Trilogie, deren zweiter Teil demnächst erscheint. Ein Gespräch.

Livia Anne Richard
Livia Anne Richard ist Theaterregisseurin und Romanautorin. Am Theater Gurten feiert sie heute mit «flöört.ch – Flirten lernen in 90 Minuten» Premiere. Doch künftig wird es von ihr weniger Theater, dafür häufiger Romane geben. - sda - Keystone/PETER SCHNEIDER

Livia Anne Richard und das Theater Gurten feiern heute gleich in mehrfacher Hinsicht ein Jubiläum. Das Theater Gurten gibt es seit zwanzig Jahren, mit der Premiere von «flöört.ch – Flirten lernen in 90 Minuten» bringt die Regisseurin ihre zehnte Inszenierung auf die Bühne und gleichzeitig ist es ihr fünftes eigenes Stück.

Im Theaterstück nehmen neun Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer an einem Flirtseminar teil. Sie absolvieren Übungen in Körpersprache, Gestik, Mimik und richtiger Stimmlage – und müssen feststellen, dass ihre Selbstwahrnehmung dadurch auf eine harte Probe gestellt wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entsprechen einem Querschnitt durch die Gesellschaft, wie Richard sagt: von einem Ehepaar bis zu einem Transgendermenschen.

Angelegt als Theater im Theater, so Richard, müssen die Kursteilnehmenden aus sich heraus kommen und versuchen zu flirten. Die Idee zu diesem Setting ist Richard während der Coronazeit gekommen. «Wir haben in den vergangenen zwei Jahren verlernt, uns anzulächeln», sagt sie. Zudem beobachtet die Theaterfrau eine «Verhärtung in der Gesellschaft». So sei sie auf das Flirten gekommen - «eine Liebelei, die wieder etwas Magie in unseren Alltag bringt».

Zumindest auf den ersten Blick eigentümlich mutet der Titel des Theaterstücks an: «flöört.ch – Flirten lernen in 90 Minuten». Das klinge bewusst oberflächlich, sagt Richard. Doch bereits nach wenigen Minuten sehe sich das Publikum mit grundsätzlichen Diskussionen konfrontiert, «darüber, was die Gesellschaft ist, was ein Mann ist, was eine Frau und ob es richtig ist, dass es nur die beiden Zuschreibungen Mann und Frau gibt».

Der Titel sei so gewählt, dass er auch Leute anspreche, «die sich etwa mit LGBTIQ vielleicht nicht auseinandersetzen möchten». Beim Publikum solle hängen bleiben, dass jeder Mensch das Recht habe, so zu sein wie er ist. «Das ist für mich die Kernbotschaft des Stückes auf einen Satz zusammengefasst», sagt Richard. Und: nicht nur des Stückes, sondern ihres ganzen Lebens, fügt sie an.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass diese Botschaft auch im Zentrum von Livia Anne Richards Roman-Trilogie steht. Der erste Band «Anna der Indianer» (2020) ist eine Coming-of-Age-Geschichte. Der zweite Band «Anna der Vater» erscheint Mitte August und spinnt den Faden von Annas Lebensweg weiter. Sie verwirklicht darin ihre Idee einer ungewöhnlichen Familienkonstellation, indem sie die Vaterrolle für die Kinder ihrer besten Freundin übernimmt. Der dritte Teil der Trilogie soll 2023 erscheinen, vermutlich mit dem Titel «Anna der Häuptling».

Wie beim Theaterstück irritieren auch hier die Titel. Richard spielt ganz bewusst mit dem Fliessenden, dem sowohl als auch. Sie habe viel zum Thema der Intergeschlechtlichkeit recherchiert und sei so auf das gesamte LGBTIQ-Spektrum gestossen. Diese Recherchen «haben nun am Rand auch das Theaterstück für den Gurten beeinflusst».

Richard selbst, die «begeistert und gepackt sein» will von einem Thema, wie sie betont, sieht sich nun mit ihren beiden Hüten als Theaterregisseurin und Prosaautorin an einem Wendepunkt. «Ich will nicht mehr jedes Jahr eine Uraufführung auf die Bühne bringen, wie ich es seit 2014 getan habe», sagt sie.

Auf dem Riffelberg in Zermatt hat sie sich mit Stücken wie «Matterhorn: No Ladies, please!» (2019), «Romeo und Julia am Gornergrat» (2017) oder «The Matterhorn Story» (2015) einen Namen gemacht; auf dem Gurten vor «Abefahre!» (2018) etwa mit «Die Nashörner» (2016) oder «Dällebach Kari», mit dem sie 2006 ihren Durchbruch hatte. Nun hat sie Zermatt aufgegeben und will nur noch alle zwei Jahre eine grössere Inszenierung machen.

Künftig will sie sich auf das Schreiben von Romanen konzentrieren. Denn: «In der Literatur kann ich meiner Fantasie völlig zügellos freien Lauf lassen, wo hingegen es im Theater immer auch Einschränkungen gibt.»

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