«Lockdown»-Buch bereits vor Erscheinen als Bestseller deklariert
Das Wichtigste in Kürze
- Das Buch «Lockdown» erschien offiziell am 19. September.
- Auf dem Cover klebte bereits am 1. Verkaufstag die Aufschrift «Schweizer Bestseller».
Wer derzeit einen Bücherhandel betritt, wird von Büchern rund um das Coronavirus praktisch angesprungen. Doch nicht nur Bücher mit umstrittenen Verschwörungsmythen landen auf mehreren Bestseller-Listen.
Auch ein Recherche-Buch, das von «Schicksalen, Heldinnen und einem Bundesrat im Krisenmodus» handelt, liegt mit einem grossen Bestseller-Kleber in den Regalen.
«Lockdown – wie Corona die Schweiz zum Stillstand brachte» heisst das neue Buch des Recherchedesk Tamedia.
In dem Buch erzählen zahlreiche Menschen, wie sie die Corona-Krise erlebten. 14 Investigativjournalisten begleiteten dafür im Frühjahr 2020 besonders exponierte Personen. Darunter befanden sich auch Bundesrat Alain Berset sowie Epidemiologe Marcel Salathé.
Zur Sprache kommen daneben unter anderem eine Spitalapothekerin oder drei Geschwister, die beide Eltern an die Krankheit verloren.
Das Skurrile: Das Buch ist bereits am ersten Verkaufstag als Bestseller markiert. Und das wirft Fragen auf.
Buch ist bereits vor Erscheinen «Schweizer Bestseller»
Das Buch erschien beim Wörterseh-Verlag, offiziell am 19. September. Auf dem Cover befindet sich seit Tag 1 ein Kleber mit der Aufschrift «Schweizer Bestseller».
Ein Gag? Auf der offiziellen Bestseller-Liste des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes (SBVV) befindet sich der Titel schon mal nicht.
Gabriella Baumann-von Arx, Verlegerin des Verlags Wörterseh, erklärt auf Anfrage: Es gäbe so viele Vormerker, dass sie sich die Freiheit genommen habe, dass Buch bereits jetzt als Bestseller zu deklarieren. Ansonsten müsse der Verlag nach dem Erscheinen bereits eine neue Auflage machen.
Baumann-von Arx zeigt sich jedoch überzeugt: «Wir sind uns sicher, dass das Buch es unter die ersten 20 Bestseller schaffen wird.»
«Ich würde das als Verleger nicht machen»
Ist dieses Vorgehen üblich in dieser Branche? Bernhard Engler, Verleger des Lokwort-Verlags: «Ich würde das als Verleger nicht machen», stellt er klar. Er würde warten, bis er es «schwarz auf weiss» hat.
Allerdings räumt er auch ein: Bei Wörterseh handelt es sich um «einen der erfolgreichsten Schweizer Verlage». Dieser würde «einen Titel nach dem anderen auf die Bestseller-Liste bringen». Möglicherweise habe hier etwas der «Enthusiasmus» durchgedrückt – schaut man den Verlag an, könnte dieser auch gerechtfertigt sein.
Was wann ein Bestseller ist, sei eine «Grauzone», erklärt Engler weiter. Nach seinem Wissen gäbe es keine festen Richtlinien. Einen offiziellen Kleber gebe es seines Wissens nicht, jeder Verlag macht sie selber.
Skeptisch zeigt sich auch die Stiftung für Konsumentenschutz. Gemäss Cécile Thomi, Leiterin Recht, werde mit einem derartigen Kleber «an den Grenzen des lauterkeitsrechtlich Erlaubten gekratzt».
Man könne durchaus von «kundentäuschendem Verhalten» sprechen, wenn ein Buch explizit und auffällig als viel-verkauft angepriesen werde, obwohl noch kein einziges Exemplar davon effektiv über den Ladentisch gegangen sei.