So läuft das Buch-Geschäft mit Corona-Skeptikern

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Bern,

Bei vielen Bestseller-Listen erscheinen Bücher von Corona-Leugnern in den Top-Rängen. Buch-Shops begründen ihre Auslage der Bücher mit der Meinungsfreiheit.

Sucharit bhakdi corona
«Corona Fehlalarm» von den Corona-Skeptikern Karina Reiss und Sucharit Bhakdi rangiert in vielen Sachbücher-Bestsellerlisten an erster Stelle. - Twitter/Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • SRF-Moderator Honegger kritisiert die unkommentierte Auslage von Corona-Skeptiker-Büchern.
  • Die Buch-Shops begründen den Verkauf mit der Meinungsfreiheit.
  • Ex Libris verzeichnet eine Zunahme im Verkauf von Coronavirus-Literatur.

Harsche Kritik für Ex Libris von «10vor10»-Moderator Arthur Honegger. Der SRF-Mann wirft dem Buchhändler ein Profitmotiv beim Verkauf von Büchern von Corona-«Leugnern» vor. Honegger stört sich aber, dass diese Bücher ohne Erklärung und Einordnung an der Kasse eines Ladens ausgelegt werden.

arthur honegger ex libris
SRF-Moderator Arthur Honegger kritisiert auf Twitter die Auslage von Büchern von Corona-Skeptikern bei der Kasse eines Schweizer Buchhändlers. - Twitter/@honegger

Ein Blick auf den Webshop anderer Buchhändler zeigt: Nicht nur Ex Libris vertreibt die von Honegger angeprangerten Bücher. Und sie erhalten beste Bewertungen der Leser.

Bei Amazon ist «Corona Fehlalarm?» von Karina Reiss und Sucharit Bakhdi auf der aktuellen Bestseller-Liste an vierter Stelle. Bei den Sachbüchern gar Nummer 1. Ebenso bei Orell Füssli und Weltbild.

Und auch auf der renommierten Spiegel-Bestseller-Liste erscheint das Buch unter Sachbüchern in Taschenbuchformat auf Platz 1.

«Dieses Buch deckt auf, was die meisten Politiker und Medien vehement verleugnen», so das Verdikt eines Lesers auf «orellfuessli.ch». «Ein Augenöffner», so ein weiterer. Lediglich eine kritische Stimme meint, hier werde Meinungsmache betrieben, «um leichtgläubige, uninformierte Menschen zu gewinnen».

Kritisch sehen das Buch auch Hochschullehrer der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie distanzieren sich von den Aussagen der Autoren – Beide lehren an besagter Uni. Das Buch enthalte «tendenziöse Aussagen, die die wissenschaftliche Sorgfalt medizinischer Forschung in Deutschland und international infrage stellt». Man widerspreche entschieden den Behauptungen der beiden Kollegen, heisst es in einer Mitteilung der medizinischen Fakultät Ende August.

Anderes Vorgehen wäre «Zensur»

Und was meinen die Buchhändler? Zahlen über den Verkauf geben die Buch-Shops keine bekannt. Nur soviel: Bei Weltbild werden Bücher über das Coronavirus ähnlich gut verkauft wie andere Sachbücher. Und Ex Libris stellt eine Zunahme in der Nachfrage nach Coronavirus-Literatur fest.

arthur honegger ex libris
Arthur Honegger schiesst wegen «Verschwörungs»-Büchern gegen Ex Libris. - Twitter/@honegger

Grundsätzlich schliesse man bei der Orell Füssli Thalia AG keine Bücher aufgrund ihrer Inhalte, Titel oder persönlichen Meinungen der Autoren aus dem Sortiment aus. «Daher ist bei uns generell jedes lieferbare Buch – sofern legal – erhältlich», erklärt Pressesprecher Alfredo Schilirò. Dies bedeute jedoch nicht, «dass wir als Unternehmen und Händler jedes erhältliche Buch inhaltlich befürworten».

Ex Libris schreibt auf Twitter, man trage zur Informations- und Meinungsfreiheit bei. «Jeder entscheidet für sich, was er kauft.» Auf Nachfrage schreibt die Medienverantwortliche Marie-Christine Schindler, dass Besucher sich vor Ort einen Eindruck vom Inhalt verschaffen und Bücher miteinander vergleichen können.

Welche Werke bei den Filialen aufgelegt würden, stehe zu einem grossen Teil den Mitarbeitenden frei. «Sie tun dies entlang der jeweiligen Interessen der Kundinnen und Kunden», so Schindler.

Weil es zu den Spiegel Bestsellern gehöre, werde das Buch von Reiss und Bhakdi im Katalog bei den Sachbüchern gezeigt und in den Filialen präsentiert, erklärt Weltbild-Kommunikationsverantwortliche Eva Grosskinsky.

«Als Händler vertreten wir die Auffassung, dass der freie Zugang zu Büchern Teil der individuellen und eigenverantwortlichen Meinungsbildung ist.» Dabei würde der gesellschaftliche Diskurs abgebildet. Darum: «Solange ein Titel nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstösst oder Personen herabwürdigt, bieten wir diesen grundsätzlich an. Ein anderes Vorgehen wäre Zensur.»

«Amazon dieselbe Verantwortung wie Social Media»

Problematisch bleibt die Auswahl aber allemal: Wird etwa bei Amazon.de im Suchfeld «Corona» eingetippt, erscheint das Buch von Khakdi/Reiss nach einer Darts-Scheibe an zweiter Stelle. An vierter Stelle erscheint der Titel: «Vorsicht Diktatur!: Wie im Schatten von Corona-Krise, Klimahysterie, EU und Hate Speech ein totalitärer Staat aufgebaut wird». Und danach ein T-Shirt mit der Aufschrift «Inzwischen sind mehr Menschen an Corona verblödet als gestorben».

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Die Auswahl von Amazon, gibt man im Suchfeld «Corona» ein. - Screenshot Amazon

Kritik für den Amazon-Algorithmus gibt es vom britischen Sozialpsychologen Daniel Jolley. In einer Studie kommt er und Co-Autorin Karen Douglas zum Schluss, dass ein einmaliger Kontakt mit Verschwörungserzählungen einen Unterschied machen könne. Jolley kritisiert gegenüber «netzpolitik.org», dass «der Glaube an solche Erzählungen stärker werden kann, wenn Menschen ihnen wiederholt ausgesetzt sind».

Darum: «Amazon hat dieselbe Verantwortung wie andere Social-Media-Plattformen, ethisch zu handeln», erklärt Jolley.

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